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Schwieriges Gespräch. Hermine Huntgeburth im Flimmuseum.

©  Manfred Thomas

Kultur: Sie küssen und sie schlagen sich

Die Regisseurin Hermine Huntgeburth zum Gespräch im Filmmuseum

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„Sie redet noch schneller als ich“, sagte Filmkritiker Knut Elstermann, als er am Donnerstagabend im Filmmuseum mit Hermine Huntgeburth sprach. In der Tat ist die 1957 in Paderborn geborene Regisseurin ein Phänomen. Ihre Sätze schneidet sie oft in der Mitte ab und lässt sie in der Luft hängen, weil sich da schon der nächste Gedanke am Satz vorbeidrängelt. Manchmal reißt ihr der Sprachfaden sogar in einem einzigen Wort. So, als sie über ihren ersten Spielfilm „Im Kreise der Lieben“ aus dem Jahr 1991 sprach.

Drei Frauen aus drei Generationen leben in einer großen Wohnung, die Großmutter ist bigott katholisch, geht beichten, schickt aber gleichzeitig ihre Tochter auf die Straße, damit sie „das Geld ver ...“ und pardauz, der Satz purzelte mitten im Wort in sich zusammen. Knut Elstermann fragte nach dem Ursprung dieser „ungeheuren Energie“ und erhielt einen Schwall Antworten. „Ich bin halt so“, war sehr verständlich, „man ist ja nicht nur“ wiederum rätselhaft. Dass sie in ihrem Beruf eben ungeheuer viel gleichzeitig entscheiden und „schnell springen“ müsse, verstanden die Zuhörer mühelos, denn nichts veranschaulichte Huntgeburth besser als das. Aber sie ist ja auch keine Rednerin, sondern eine erfolgreiche Regisseurin, die schon sämtliche deutsche Filmpreise erhalten hat und mit „Effi Briest“ Anfang des Jahres eine umstrittene Literaturverfilmung präsentierte.

Die Reihe des Filmmuseums „Mein erster und mein jüngster Film“ ist eine gute Idee, sie stellt in unregelmäßigen Abständen Regisseure mit ihrem Anfangs- und bisher letzten Film vor. Daran könne man, so die These, Entwicklungen ablesen. Diese Rechnung ist zumindest bei Hermine Huntgeburth aufgegangen: Während ihr erster Spielfilm mit großartiger Schauspielerinnenführung die drei Grandes Dames des deutschen Films, Ruth Hellberg, Karin Baal und Barbara Auer in einer wunderbar schwarzhumorigen Tragikomödie vereint, ist die Neuinterpretation von Effi Briest mit einer am Ende emanzipiert rauchenden und jobbenden Effi (Julia Jentsch) kostümschwer und frei von der Kunst der Andeutung, die zumindest Theodor Fontane in sein Werk legte.

Hermine Huntgeburth hat neben vier Kinofilmen, unter anderem „Die weiße Massai“, zehn Fernsehfilme gemacht. Vielleicht liegt in der starken Ausrichtung auf das Fernsehen ein Grund für die Veränderung. Allerdings begegnet Hermine Huntgeburth der Kritik an ihrem Film gelassen. Das Theater verändere schließlich alle naselang seine Klassiker, nur wenn der Film das mache, bestrafe einen die Kritik, sagte Hermine Huntgeburth.

Vielleicht war das Feuilleton nicht ganz zu unrecht über die Deutlichkeit von „Effi Briest“ empört. Beispielsweise über deren erstem Orgasmus, der sie ebenso zum Schreien bringt wie die Vergewaltigung durch ihren Mann (Sebastian Koch) bei der Hochzeitsnacht. Die „tageszeitung“ sprach von „Effi Briest als Seifenoper“.

Familienthemen interessieren Huntgeburth immer, der katholische Glaube ebenfalls. Das ist auf besondere Weise in „Im Kreise der Lieben“, wofür sie auch das Buch geschrieben hat, umgesetzt. Die drei Frauen bringen nach und nach die Liebhaber um, die sich in ihrer Enklave einnisten wollen und mumifizieren sie im Keller. Die Oma geht in die Kirche und sagt, sie habe ihre Tochter schlecht behandelt, ihre Verbrechen aber beichtet sie nicht. Das war schön umgesetzte Bigotterie, allerhand zu lachen gab es in dieser ideenreichen Version des ewigen Themas. Sie küssten und schlugen sich bei Huntgeburth im Jahre 1991 auf originelle Weise, während ihr aktuelles Drama um die aufbegehrende Effi Briest nur schlappe Modernisierung bleibt. Lore Bardens

Mit „Das Verschwinden der Zeit“ ist am Dienstag, 23. Juni, 20 Uhr der nächste Film in der Reihe „Mein erster und mein jüngster Film“ im Filmmuseum zu sehen

Lore Bardens

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