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Kultur: Siebzehn Mann auf des Totenmanns Kiste

Auf hoher See mit Jaye Consort und Timo Sturm

Stand:

Rum wurde nicht ausgeschenkt. Dafür gab es Selbstgebackenes, das als „Schiffszwieback“ bezeichnet wurde und äußerst schmackhaft war. Mit solcher Art Proviant hätte man sich am Donnerstagabend glattweg auf der „Golden Hind“ anheuern lassen. Und wenn dazu das Jaye Consort und der Schauspieler Timo Sturm zur Besatzung gehören, erscheinen einem drei Jahre auf hoher See mit all seinen Entbehrungen und Unwägbarkeiten gar nicht mehr so abschreckend.

„Sir Francis Drake – Pirat im Namen der Königin“, so der Titel des musikalisch-erzählerischen Programms, das an diesem Abend im Kammermusiksaal Havelschlösschen Premiere feierte. Die vier Musiker des Jaye Consorts und Timo Sturm hatten zu einer Weltumsegelung auf den Spuren der englischen Piratenlegende Francis Drake eingeladen und der Konzertsaal in Klein Glienicke stieß an seine Grenzen. Ein paar Gäste mehr, man hätte sie wieder nach Hause schicken müssen. Und nach über einer Stunde, am Ende des Programms, nur bedauern können, weil sie an diesem Abend etwas verpasst hätten.

Es war der Bericht eines Mitreisenden, in dem erwähnt wird, dass Drake auf seiner Weltumsegelung von 1577 bis 1580 Musiker an Bord hatte, der den Ausschlag zu dieser eher ungewöhnlichen Verbindung von Freibeuter und Musik gab. Neben Trompeten waren es Gamben, die auf hoher See für entsprechende Ablenkung sorgten. Welche Musik nun auf Drakes Flaggschiff, der „Golden Hind“, gespielte wurde, ist nicht überliefert, was den Musikern um Christiane Gerhardt, die das Programm gestaltete, die Freiheit für eine eigene Auswahl an Kompositionen unter anderem von William Byrd und John Wilbye, Anthony Holborne und Tobias Hume ließ. Kompositionen, die, so Christiane Gerhardt, ein mögliches Stimmungsbild der damaligen Zeit und der Zustände auf einem Segelschiff wie der „Golden Hind“ nachzeichnen sollten. Zwischen diesen Kompositionen erzählte Timo Sturm vom elisabethanischen Zeitalter, den Vormachtkämpfen auf den Weltmeeren und aus dem Leben und den Reisen von Sir Francis Drake.

Es waren nur kurze Erzählungen, die Sturm zwischen die Musik warf. Aber dies tat er mit Verve und Überzeugung und herrlicher Lust. Zur Hochform fand er immer dann, wenn er Zeitzeugen zitierte, die vom Besuch des Königs der Molukken auf Drakes Schiff oder von Begegnungen mit den verhassten Spaniern berichten, die man kurzerhand und natürlich nur aus Nächstenliebe um Gold und Silber erleichterte. Der Zuhörer war hier gefordert, seine Phantasie spielen zu lassen, das, was Timo Sturm erzählte, nur als Anstoß für eine eigene Seereise im Kopf zu nehmen. Die Musik beflügelte dabei regelrecht.

Mit Pavane und Gaillard und Allemande waren immer wieder zeitgenössische Tänze zu hören. Dazwischen getragene Kompositionen, die trefflich das wohl oftmals trübe Stimmungsbild auf den Segelschiffen widerspiegelten. Und wie bei einer solchen Seemannschaft, die sich am Anfang einspielen muss, war auch das Spiel der Musiker erst etwas kantig. Doch mit jedem Stück fanden die drei bis vier Gamben immer mehr zueinander. Wie auf dem Meer das Wasser und der Wind, der Himmel und das Lichtspiel jedes für sich reizvoll sind, aber erst im gemeinsamen Zusammenspiel ihre ganze Wirkung und Magie entfalten, so auch das Jaye Consort an diesem Abend. Der Ton herrlich singend, das Zuspiel der unterschiedlichen Themen voller Lust und Leichtigkeit, das Tänzerische aufgeladen. Und während von der Saaldecke und draußen vor dem Fenster Schiffslampen schaukelten, wähnte man sich für Augenblicke als Tischgast in Drakes Kajüte auf seiner „Golden Hind“. So nah vermag Musik einem so Fernes bringen. Dirk Becker

Dirk Becker

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