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Kultur: Sieg nach Punkten

Die Regisseurin Catharina Deus zum Gespräch über „Die Boxerin“ im Thalia-Kino

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Es wurde diskutiert, spekuliert, kommentiert. Und zwar in voller Lautstärke. Möglicherweise war die Stimmung am Sonnabend im kleinen, dafür aber vollen Saal 4 des Thalia-Kinos ja deshalb ein wenig wie zu Hause vor dem Fernseher, weil sich so mancher vom Filmtitel mehr Prügelei auf der Leinwand versprochen hatte. Denn angekündigt war „Die Boxerin“. Das lässt an ausgeschlagene Zähne und blutige Nasen denken. Doch der Film hat Zeit. Johanna, genannt Joe, fährt erst einmal endlose Wege mit dem Moped durch öde Landschaft im Barnim. Vorwärts kommt sie freilich nicht.

Eigentlich verläuft nichts in ihrem Leben in geraden Bahnen und nur eins steht fest: Sie will kämpfen. Zunächst ist „Die Boxerin“ also angelegt wie die meisten Filme des Genres: Der Weg des Underdogs nach oben, der Werdegang eines Menschen, der außen zäh, doch innen verletzbar ist. Doch der Film löst das Versprechen, ästhetisierte Gewalt zu zeigen, nur bedingt ein, wodurch von einem genretypischen Film ohnehin nur schwer geredet werden kann. Nicht dass hier eine weibliche Boxerin zwischen den Seilen zu stehen kommt, macht ihn dabei ungewöhnlich. Denn die männliche Alleinherrschaft im Ring ist bereits beendet, seit sich selbst in den Familien Ali und Frazier in zweiter Generation die Damen die Gesichter verbeulten und auch im Kino in „Girlfight“ oder „Million Dollar Baby“ Frauen die Fäuste schwangen. Dass aber ein Boxerfilm das Gehaue nur spärlich zeigt, vielmehr durch mitunter poetisch absurde Dialoge punktet, ist ungewöhnlich. Gerade hier gelangen dem Film ungeahnte Wirkungstreffer, verfehlte doch der Wortwitz auch im Thalia seine Wirkung nicht.

Und was steckt hinter dem Drehbuch eines solchen Films? „Geheime Boxphantasien“ verrät bei der Diskussion über ihren Debütfilm Regisseurin Catharina Deus. Die Frau von heute würde ab und zu auch mal gern zuschlagen, das wird deutlich. Doch selbst wenn Deus, selbst eher zurückhaltend und höflich, ganz und gar nicht den Eindruck vermittelt, als würde sie gleich zuschlagen, bleiben die Fragen des Publikums eher zaghaft. Also erzählt sie ein bisschen von sich aus. Wie sie zuerst in den Reihen junger Boxerinnen eine Hauptdarstellerin zu finden hoffte und – als dies nicht gelang – sie mit Katharina Wackernagel eine Schauspielerin fand, der die Bewegungen einer Kampfsportlerin erst einmal in harter Arbeit näher gebracht werden mussten.

Ganz leise wird im Publikum auch Kritik laut. Zu holzschnittartig finden manche die Darstellung der Brandenburger Provinz, die der Film als intellektuelle und emotionale Wüste irgendwo „kurz vor Sibirien“ verortet. Regisseurin Deus kontert, dass die Schauplätze authentisch sind, die abgewrackte Verkaufsstelle etwa tatsächlich noch in Betrieb sei, verteidigt die Überzeichnung als Stilmittel. Dass es ihr als Westdeutsche – denn dieser Vorwurf schwingt in der Kritik latent mit – jedoch tatsächlich fern lag, den Osten schlecht zu machen, beweist, wie sie die Charaktere in Licht und Szene setzte. Winfried Glatzeder zum Beispiel. Selbst der winzigen Rolle als bettlägerigem Vater von Joes bester Freundin vermag er mit so viel Witz und Facetten zu versehen, dass der Film allein seinetwegen sehenswert wäre. Ihn habe sie, so die Regisseurin, ja deswegen besetzt, weil er „so ein schöner Mann“ ist. Auch das ist heute noch möglich.

Als sich ein junger Mann meldete kam für kurze Zeit etwas Bewegung in die recht schleppende Fragerunde. Zuerst fragte er, warum der Film nicht wie ursprünglich geplant „About a Girl“ heißt. Man merkt sofort, er weiß Bescheid, was sich bestätigte, als er sich als einer der Jungs in der Boxhalle, die Joe anfangs nicht in ihrer Mitte haben wollten, zu erkennen gibt. Catharina Deus hatte den Darsteller zunächst gar nicht erkannt. Keine Brille auf. Kann ja vorkommen. Nun verweist der junge Mann darauf, dass er im Abspann seinen Namen nicht finden kann. Peinlich, kann aber auch vorkommen.

Am Ende hat der Film übrigens doch seinen richtigen Fight, der sogar mit einem Sieg für Joe endet. „Eher eine Erleichterung, als ein triumphaler Sieg“ sagt die Regisseurin. Wichtiger als die Schlägerei im Ring ist der Aufbruch der Heldin – mit dem Moped nach Berlin.

Moritz Reininghaus

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