
© Manfred Thomas
Kultur: Sind so viele Bilder
Peter Knüvener sprach über die Kunst der Mark
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Georg Dehio, der große Kunstgelehrte des 19. und 20. Jahrhunderts, Mediävist und Herausgeber der ersten Gesamtschau deutscher Kunstdenkmäler, erfand die großen und geflügelten Worte „Armut ist der beste Konservator“. Auf die Baukunst der Altmark, bis 1815 zur Provinz Brandenburg gehörig, trifft das unbedingt zu. Die Gegend zwischen Magdeburg und Salzwedel, unter allen Fahnen nur als Randgebiet behandelt, hat keine größeren Städte und auch sonst nicht viel zu bieten. Trotzdem wurde sie in der Vergangenheit immer wieder „Schatzkammer der Mark“ und sogar „Wiege Preußens“ genannt. Warum das so ist, erfuhr man am Dienstag aus dem Munde des Kunsthistorikers und Mittelalter-Kenners Peter Knüvener in der Urania.
Knüveners Spezialgebiet ist das mittelalterliche Brandenburg nebst angrenzender Ortschaften. Dergestalt hat er unter anderem auch die Ausstellung „ Märkische Kunst – Bilderwelt des Mittelalters“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte im vergangenen Jahr federführend betreut. Dass diese Mini-Landschaft womöglich mehr Kunstschätze als das gesamte Land Brandenburg birgt, findet er „einfach gigantisch“. Seine glasklare Aussage bezog er sowohl auf die bis zur Romanik und Gotik reichende Bausubstanz, besonders aber auf die geradezu üppige Innenausstattung großer und kleiner Kirchen in Stadt und Land, in Kapellen, Klöstern und Rathäusern. So freut sich der Kunsthistoriker natürlich, seinem Publikum einen original erhaltenen Dachstuhl um 1170 in Hämerten präsentieren zu können. Wer möglicherweise mit der Urania-Expedition Ende März in die Altmark reist, hat da also einiges zu erwarten.
Mal liegt das „Gigantische“ hier mehr im Kleinem, mal im Großen. Ein ungewöhnlicher Reichtum an gewaltigen Flügelaltären, Schreinen und Retabeln und mittelalterlichem Schnitzwerk bester Schulen erwartet den Suchenden, oft in Bestform erhalten. Es scheint, als seien alle Zerstörungskriege an diesem westelbischen Flecken vorbeigegangen. Ist es nicht ein Wunder, wenn ausgerechnet in Werben, gegenüber von Havelberg, eine unübersehbar große Katholikenkirche bis ins Dachgestühl hinauf unversehrt blieb, obwohl die protestantischen, aber in Religionsfragen gar nicht zimperlichen Schweden im Dreißigjährigen Krieg ausgerechnet vor den Toren der Kleinstadt ein riesiges Nachschublager errichten mussten? Anhand nicht enden wollender Bildprojektionen erfuhr das zahlreich versammelte Publikum, wo etwas steht, worum es sich handelt und was man da erkennen kann oder soll. Mittelalterliche Kunst war ja zuerst Marienverehrung – und der Versuch, das Neue Testament einzulösen.
Mehr in die Breite als ins Tiefe gehend, hielt sich Peter Knüvener über anderthalb Stunden weitgehend an die Chronologie zwischen 1100 und 1600. Dabei hatte er nicht einmal alle Winkel dieses „gelobten Landes“ ausgeleuchtet. Man erfuhr, dass in Seehausen der nach Salzwedel zweitgrößte Flügelaltar weithin zu finden ist, in der Stendaler Marienkirche – „größtes Geläut weit und breit“ – ein vierflügeliger Schnitzaltar, zehn Meter hoch. Gut erhaltene Glasmalerei anderswo. Aber sind Hunderte Bilder, sind Attraktionen alles? Man hätte sich mehr Hintergrund gewünscht, zum behaupteten „Zivilisationsbruch Dreißigjähriger Krieg“ und warum bilderstürmerische Protestanten ausgerechnet in der Altmark katholisches Bildwerk verschonten. Dass Luther sich nur gegen ein Zuviel an Marienverehrung gewandt haben soll, wie der Referent behauptete, ist wenig glaubhaft. Wusste Dehio da mehr? Gerold Paul
Gerold Paul
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