Kultur: Sinkender Etat – wachsende Leistung
Brandenburger Theater zu 91 Prozent ausgelastet / 190-jähriges Bestehen
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Einhundertneunzig Jahre sind wirklich nicht leicht zu tragen. Das Brandenburger Theater kann davon sein eigenes Liedlein singen. Bei der Vorstellung der neuen Spielzeit 2007/08 im Cultur Congress Centrum war viel von Mut und Tapferkeit, aber auch von den Kräften zu hören, die nötig sind, den ganzen Laden am Laufen zu halten. Von der alten Schauspielergilde ist fast niemand mehr übriggeblieben, man sieht sich gleichsam gezwungen, aus fast Nichts etwas zu machen, was das Brandenburger Publikum anziehen kann. „Unser Programm-Etat sinkt“, klagte Intendant Christian Kneisel.
Von den 6, 6 Millionen Euro, aus drei Quellen gespeist, bleiben wegen anstehender Tariferhöhungen lediglich 800 000 für laufende Produktionskosten übrig, das sei „in Deutschland absolut einmalig“ – und auch abstrus. In der Pflicht, innerhalb des brandenburgischen Städteverbundes jährlich vier Musiktheaterproduktionen abzuliefern, müssten fast alle Fachkräfte von außen her engagiert werden, was zu teuer kommen würde. Doch die Vorschläge, den bürokratisch gezimmerten Verbund mehr als auf die drei Theater selber zu beziehen und die Cottbuser Ressourcen zu integrieren, wurden höheren Ortes abgelehnt. Trotzdem hat sich die Lage stabilisiert. Mehr als 400 Veranstaltungen im vergangenen Jahr mit 83 000 Besuchern, mit einer Auslastung (einschließlich Vermietungen) von 91 Prozent, auch dank der beiden Förderkreise, welche das 191. Jahr wieder tatkräftig unterstützen wollen.
Was gibt es nun Neues? Zuerst einmal das große Jubiläumsprogramm am 5. und 6. Oktober mit offiziellem Festakt, einer Theaterpreis-Verleihung und der Uraufführung des Hinterhof-Musicals „Der große Schwoof" von Bernd Köllinger und Klaus Wüsthoff in der Art eines Zille-Bilderbogens, wo es „eigentlich um nichts“ gehe, nur dass sich drei Paare bei Polka, Schieber und Walzer letztendlich finden. „Musike wie zu Kaisers Zeiten“ wird versprochen, Lincke und Kollo grüßen.
Am 6. Oktober dann „Romeo und Julia“ vom Jugendtheater (wieder ein Musical) sowie „Die lange Nacht der Kammermusik“ im ganzen Haus, woran sich auch die Akademie der Künste und das Ensemble „Unerhörte Musik“, beide Berlin, bis in den Morgen beteiligen werden. Christian Kneisel kündigte eine Überraschung an: Promis aus Politik, Kultur und Gesellschaft wurden gebeten, „etwas“ für das „so gerupfte Theater“ zu tun ...
Dann hat das BT bei Rainer Rubbert (Musik) und Tanja Langer (Libretto) eine Kleistoper bestellt. Soll sie auch erst zum Frühjahrsbeginn 2008 Premiere haben, so werden Auszüge daraus bei den 16. Kleist-Festtagen im Oktober gezeigt: in Frankfurt/Oder. Die Gesangspartien übernehmen Studenten der Berliner Musikhochschule „Hanns Eisler“, es spielen die Brandenburger Symphoniker, das eigentliche Standbein des Hauses. GMD Michael Helmrath präsentiert für die Saison ein höchst opulentes Konzertprogramm in mehreren Reihen. Brahms“ Geburtstag im Mai wird ebenso gedacht wie des 50. Todestages von Sibelius, eine Neapolitanische Nacht unter dem Titel „Brehms Tierleben“, zwei Uraufführungen, Kammermusiken, anspruchsvolle Sonderkonzerte gemeinsam mit dem Staatsorchester Frankfurt, und mehr. Daneben wird die Emsigkeit des Puppentheaters weiter gepflegt. Lesungen in Haus oder Garten, Veranstaltungen in der Kunsthalle Brennabor (etwa eine Ausstellung zur Geschichte des BT), Schultheatertage, Kinderprogramme, Kabarett – da ist schon etwas los im Musentempel, und ab Dezember kann man dank einer neuen Lesereihe an den Ursprung zurückkehren, ins Wichernhaus – Venedigstraße 632 – wo vor 190 Jahren alles begann. Gerold Paul
Gerold Paul
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