Kultur: Sinne schärfen mit der Nagelschere
Falsche Meisterwerke im Filmmuseum
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Man muss schon genau hinschauen in dieser Ausstellung, um ihr gerecht zu werden, so vielschichtig ist der Ansatz. Meisterwerke2, ab heutigen Samstag um 17 Uhr im Filmmuseum, zeigt studentische Übungen von Kamera- und Szenenbildstudenten der Potsdamer Filmhochschule – womit die Energie der Studenten seit der Fusion beider Einrichtungen im Juli endlich im Filmmuseum angekommen sei, so Museumsdirektorin Bärbel Dalichow gestern erfreut. Der Begriff Übung ist allerdings irreführend, zumindest sind die sichtbaren Ergebnisse eine Wucht.
Aufgabe war es, ein Gemälde, ein Meisterwerk, ob Hunderte Jahre alt oder von einem zeitgenössischen Künstler, so genau wie möglich nachzuinszenieren und daraus ein Foto zu produzieren. Jeweils ein Kamera- und Szenenbildstudent erstellten in wochenlanger Frickelei Pläne für Licht und Kameraführung, zerlegten die Bilder in Farben, suchten Requisiten und Darsteller. Letztere waren Studenten, Schauspieler, aber auch Leute von der Straße. Wer genau hinschaut, entdeckt aber auch Bärbel Dalichows Mutter, Brunhilde Hanke, in dem Gemälde „Meine Eltern“ von David Hockney oder auch den Potsdamer Autor Klaus Hugler als Salomon Konincks Eremit mit Rauschebart. Dann wurden die Räume inszeniert, das Bild komponiert, bis das Foto stand. Zum Teil verblüffend unverwechselbar – auf den ersten Blick. Erst auf dem zweiten entdeckt man die veränderten Kleinigkeiten: Sahen Hund, Kiste oder Buch schon immer so aus? Das schärft die Sinne, eine Übung auch für den Betrachter.
Jedoch nur zwei von 26 Bildern, allesamt edle, großformatige Abzüge, bekamen ein Repro des Originalgemäldes zum Vergleich danebengestellt. Wer dennoch wissen will, wie das Vorbild zur Studienarbeit aussieht, muss in einem Ordner blättern. Das ist etwas aufwendig und wenig befriedigend, wenn man die kunstgeschichtlichen Epochen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart gleichermaßen vor Augen haben muss. „Wir wollten, dass die Bilder in ihrer Eigenart für sich selbst wirken“, begründet Kuratorin Bärbel Dalichow diese Entscheidung. Außerdem sei die eine oder andere Irritation durchaus gewollt. Ohnehin habe man mit rechtlichen Problemen zu tun gehabt, zumTeil durften die Original-Repros nur in Postkartengröße aushängen, so Pressesprecherin Christine Handke.
Auch die Studenten hatten Probleme: Bei vielen Bildern war das Original unbekannt oder es mussten Urheberrechte geklärt werden. „Aber wir wollten diese Ausstellung. Nach Friedrich II. war jetzt Zeit für etwas Neues“, sagt Dalichow.
Und so verschmelzen auf seltsame Art Alt und Neu, schärft sich der Blick und das Gespür für Geschichte, Epochen, Perspektiven. Szenenbildstudent Wilko Drews, der die Ausstellung mitgestaltet hat, ist selbst an einem Bild beteiligt gewesen und hat Jan von Eycks Arnolfini-Hochzeit nachgebaut. Viel Fummelarbeit sei das gewesen, solch alte Sachen habe es selbst im Fundus nicht gegeben. Der Kronenleuchter sei mit der Nagelschere entstanden, so Drews. Zum Pressetermin am gestrigen Freitag erschien auch Jarmo Mäkila, finnischer Maler, dessen Bild „Mutating Zone“ nachinszeniert wurde. Das finde er ganz wunderbar, ebenso dasFoto mit einer Variante, in der die Studenten dem einsamen Mann noch eine Frau ins Bild gestellt haben: Das sei endlich nicht mehr so traurig, sagte der Maler. Steffi Pyanoe
Meisterwerke2 im Filmmuseum, ab heutigen Samstag, 10. November, 17 Uhr, Marstall/Breite Straße 1, Di bis So, 10 bis 18 Uhr
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