Kultur: Sinnenfroh
Kammermusikalisches im Nikolaisaal
Stand:
Das Konzert absagen oder das vorgesehene Programm ändern? Vor diese Entscheidung sahen sich Flötistin Bettina Lange und Fagottist Christoph Knitt gestellt, beide Mitglieder der Kammerakademie Potsdam. Erst krankheitsbedingter Probenrückstand, dann Totalausfall des Pianisten Alexander Fleischer: Nun war guter Rat gefragt. Ersatz musste her, sonst würde es am nachmittäglichen Ostermontag keine Kammermusik im Foyer des Nikolaisaals geben. Mit der taiwanesischen Pianistin Li-Chun Su, mehrfach bei Klavierwettbewerben preisgekrönt und mittlerweile an der Universität der Künste Berlin unterrichtend, war die Retterin gefunden. Ein gewaltiges Pensum wartete bei der Begleitung der Bläservirtuosen auf sie. Doch das Tragen der künstlerischen Hauptlast schien ihren Gestaltungswillen nur noch zu beflügeln. Über die dazu erforderliche Technik verfügte sie ohnehin.
Von den ursprünglich sieben Werken konnten drei kurzweilige Piecen von Camille Saint-Saëns, Eugène Bozza und Gaetano Donizetti übernommen werden. Weitere klangliche Köstlichkeiten von Benjamin Godard, Francis Poulenc und Ludwig van Beethoven waren in der verbleibenden Probenzeit einstudierbar und präsentierbar. Ohne die Ambitionen des Ur-Programms in Zweifel zu ziehen: Im neuen verbanden sich Charme, Unbeschwertheit, Scherz, Eleganz und Esprit aufs Vorzüglichste. Und auch die verschiedenen und ausgeprägten Klangcharaktere von Flöte und Fagott harmonisierten im Zusammenspiel erstaunlich gut. Mit partnerschaftlicher Unterstützung des Klaviers kündeten sie davon auf überzeugende Weise in Trios von Donizetti (F-Dur) und Beethoven (G-Dur), die dem Programm den passenden Rahmen schufen.
Der italienische Opernmeister machte dabei seinem Ruf alle Ehre, indem er ein liedhaftes Thema vom Fagott über Flöte zum Klavier wandern ließ. Es ist, gleichsam als Rezitativ und Arie, von Leidenschaft und Sinnlichkeit erfüllt. Bettina Lange und Christoph Knitt lösten den Anspruch mit ihrem kantablen Instrumentalgesang vortrefflich ein. Der klare, ein wenig harte und kaum differenzierte Anschlag der Pianistin Li-Chun Su wollte dazu noch nicht recht passen. In Beethovens dreisätzigem Werk aus Bonner Jugendzeit war sie auch federführend, doch ausdrücklich nach Beethovens Wunsch und Wille. Geschmeidig und gefällig klang es à trois, blitzten mancherlei Verweise auf Kommendes aus der Feder des Bonners. Fingerzeige lieferten dafür unter anderem das klagende Adagio und das begeisternd dargebotene Andante con Variazioni. Das Dacapo der virtuosen Siebenten dankte dem enthusiastischen Beifall.
Weich und besänftigend, klangnobel, schön näselnd und grummelnd, dann wieder knarzend und trillerkeck blies Christoph Knitt die Sonate für Fagott und Klavier von Saint-Saëns. Kurzweiliges Vergnügen boten er und die sich in Hochform spielende Pianistin auch in Bozzas „Récit, Sicilienne et Rondo“. Unterhaltsam, als hätten die Melodien Flügel bekommen, ging es in der Flöten-Suite von Godard zu, von Bettina Lange mit perfekter Blastechnik in tirilierende, weiche und weit schwingende Töne verwandelt. Farbenleuchtend breitete sie die schmachtende „Idylle“ aus, sinnenfroh den „Valse“. Heiter, von purer Spielfreude erfüllt und mit einem Schuss Melancholie reizvoll abgerundet erklang Poulencs Flötensonate. Der Musiker brillantes Musizieren schaffte es, dass man die meteorologisch bedingten Gemütsmisslichkeiten schlichtweg vergessen konnte. Peter Buske
Peter Buske
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