Kultur: Sirene und Piratenbraut
Die Sängerin und Pianistin Maria Markesini betörte im Foyer des Nikolaisaals
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Ihre weiße Haut habe sie von den Seeräubern geerbt, die einst ihre griechische Heimatinsel Kefalonia belagerten. Mit den weit über die Schultern fallenden feuerroten Locken erscheint Maria Markesini wie Sirene und Seeräuberbraut zu gleich. Wie gerade herabgetropft, vielleicht von der roten Farbe ihrer Haare oder dem Blut ihrer Vorfahren, schmücken rote Tupfen ihre lange weiße Robe. Etwas Mythisches umwehte diese Sängerin am vergangenen Freitagabend im ausverkauften Foyer des Nikolaisaals.
Die klassische Pianistin hat ihre Liebe zum Gesang und zum Jazz lange versteckt gehalten. Seit ihrem Debüt als Sängerin jedoch arbeitet sie wie besessen, trainiert Stimmtechniken bis zu acht Stunden am Tag. Davon spürt man auf der Bühne nichts. „Ich habe keine Angst zu singen (...) für mich gibt es kein Limit“ steht in einem kleinen Prospekt über die in den Niederlanden lebende Musikerin.
Der besinnliche Einstieg mit einem griechischen Liebeslied gibt Zeit sich an den leidenschaftlichen Gesang und Stil von Maria Markesini zu gewöhnen. Als sie nach dem dritten Song ihren schwarzen Blazer auszieht, unter dem ein armlanges, jedoch gestelltes Tattoo zum Vorschein kommt, hat sie schon drei Genres hinter sich gelassen. Es klingt als ob Maria Markesini nicht eine, sondern zwei Stimmen habe. Eine helle sanfte, mit der sie in klassischen Höhen die längsten Töne halten und ziehen kann und eine tiefe voluminöse, fast raue, mit der sie Jazzballaden singt. Zwischen beiden wechselt sie mühelos.
Bei einer Künstlerin wie Maria Markesini, die viele Stimmen, Facetten und Stile singen kann, könnten einem viele Vergleiche einfallen, doch sollte man damit vorsichtig umgehen. Nach ein paar Stücken, modern arrangierten und Jazzstandards, wie „Why did I choose you“ und einem „C’est si bon“, ist man davon überzeugt, dass diese Maria Markesini einfach alles singen kann. Da überrascht es dann auch nicht mehr, wenn man nach der Pause erfährt, dass sie vor kurzem von einem Orchester eingeladen worden ist, um die „Habanera“ aus der Oper Carmen zu geben.
„Künstler sind manchmal komisch“, sagt Maria Markesini, stellt spontan das Programm um und zündet eine Kerze an zu „Papa, can you hear me“ aus dem Film „Yentl“. Sie flüstert, erzählt, haucht oder spielt komische Stücke wie Bob Dylans Tierlied „Man gave names to all the animals“.
Auch wie sie als kleines Mädchen mit einem Vogel um die Wette sang, ist ein Lied geworden. Unterlegt mit Grillenzirpen trägt Maria Markesini es vor und mimt dabei, wie sollte man es mittlerweile anders erwarten, den Vogel und ihre eigene Mutter, die die kleine Maria ungeduldig in Haus ruft.
Begleitet wird die Sängerin an diesem Abend von „dem besten Pianisten der Niederlanden“, was sie nicht müde wird zu betonen, Bert van den Brink. Ein kleiner Mann mit hoher Stirn und grauer Lockenmähne. Erst als er den Stuhl für Maria Markesini am Flügel freimacht und sich auf die andere Seite der Bühne zum Akkordeon tastet, ist man sich langsam sicher, dass der Mann blind ist. Trotzdem blinzelt er mit wachen dunklen Augen in alle Richtungen. Ein Komiker zumal, denn als Maria Markesini ihn zu seinem versprochenen Pianosolo, das auch im Programmheft vermerkt ist, bittet, fasst er sich an den Kopf und ruft mit einer dünnen, aber weichen und sympathischen Stimme: „Ach, das hab ich ja ganz vergessen“. Er erzählt sehr schnell etwas und legt los mit den Worten: „Ein bisschen Griechisch, ein bisschen Arrangement“. Das Ergebnis ist ein schwebendes Jazzsolo mit einer Prise „Sirtaki“, die das Publikum zum Lachen bringt.
Ihre lackschwarzen Pumps mit den geschwungenen goldenen Absätzen tragen Maria Markesini bei beiden Zugaben wieder auf die Bühne und zurück, mit der freien Hand geleitet sie Bernd van den Brink. In den Applaus zeigt Maria Markesini lachend den erhobenen Zeigefinger, was so viel bedeutet wie: „Na gut, aber nur noch eins!“. Undine Zimmer
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