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Es hört nicht auf. Frontmann Helmut Fensch (r.) und seine Band „Georg und The Mädchenbehüter“ spielen im Obelisk.

© promo

Kultur: Sixties-Schwof

Helmut Fensch und Band präsentieren im Kabarett das Debüt-Live-Rock-Album „Das hört nicht auf“

Stand:

Irgendwann muss man es einfach tun. Rein ins kalte Wasser, sich einmal kräftig schütteln, Neues wagen. Neues, das tief zurückgreift. Helmut Fensch betritt noch einmal den Club Sweet Little Sixteen, den Chuck Berry einst so beseelt besang. Helmut Fensch, der 62-jährige, oft etwas steif wirkende Kabarettist mit der Gitarre, lässt endlich den Rocker von der Leine. Es soll röhren und krachen, wenn er am morgigen Samstag hitverdächtig die 60er-Jahre beschwört und zum Auftakt der Jubiläumsveranstaltungen „35 Jahre Kabarett Obelisk“ sein Debüt-Rock-Album vorstellt.

„Das hört nicht auf“ singt er mit leicht angerauhter Stimme und schwelgt im Soundtrack der eigenen Jugend. Doch es wird keine Alte-Herren-Party, wenn morgen zum „Dorfbums“ geladen und der Kabarettsaal zum Schwof umgerüstet wird. Dafür sorgen seine um 30 Jahre jüngeren Mitstreiter von „Georg und The Mädchenbehüter“. Einer davon ist Sohn Jakob. Er war es auch, der dem Vater die Ängste nahm, sich auf dieses Wagnis einer CD einzulassen.

Angefangen hat es aber schon beim Absolvententreffen, das Helmut Fensch nach 40 Jahren organisierte: in Sangerhausen, wo er einst für das Abitur gebüffelt und in der Schulband gespielt hat. Warum nicht aus Anlass dieses Wiedersehens erneut die alten Lieder singen? Die drei Gitarrenfreaks von einst, aufgewachsen mit den Beatles, Stones und Walter Ulbricht, taten sich erneut zusammen, probten eifrig und hatten bald 30 Lieder drauf. Fensch schrieb noch drei neue dazu – und alle fragten nach diesem Auftritt in der legendären „Jugendtanzgaststätte“ Sangerhausen den Frontmann Helmut: Warum machst Du nicht mehr daraus?

Diese Begeisterung trieb ihn an und im Nu flossen weitere 15 Titel aus seiner Komponisten- und Texter-Feder. Sohn Jakob schleppte Vaters Dichtung über verflossene Liebschaften, das Paradies der Kindheit und über 89 demonstrierende Waschmaschinen schließlich zu den Bandkumpels von „Die Gefundenen Fressen“ und die nahmen dieses jungfräuliche Material von „Papa Georg“ wohlwollend in die Mangel. Das Ergebnis folgte prompt. Sie wollten ein paar der Titel aufnehmen. „Das ging alles ratzfatz und kam wie eine Fönwelle über mich.“ Daraus ist nun im Berliner Ufo Sound Studio diese Platte geworden, auf der es augenzwinkernd, aber durchaus hart zur Sache geht. Die Gitarrensaiten werden gequält, bis die Köpfe wippen und die Haare fliegen. Dann geht es im Shanty-Schunkelkurs weiter, um schließlich der Melancholie des Blues die Sporen zu geben. Kein Song gleicht dem anderen, die teils spritzig-witzigen deutschen Texte behalten trotz fetten instrumentalen Unterfutters immer gut hörbar Oberwasser. Die Einflüsse von DDR-Punk-Rock und Panik-Rocker Udo Lindenberg sind unüberhörbar.

Helmut Fensch strahlt das ganze Glück heraus, das ihm da so plötzlich und unerwartet begegnete. „Es war für mich wie Weihnachten: das erste Mal in einem Studio. Ich bin rumgelaufen wie ein Kind, das einen Schaukelstuhl geschenkt bekam. Die jungen Leute haben alles rausgekitzelt, was technisch möglich ist. Und der Altersunterschied spielte überhaupt keine Rolle.“ Er war auch verblüfft, dass die vier Jungs und die Querflöte spielende einzige Frau, Silke Richter, die alten Lieder der 60er und 70er so gut kannten. Argwohn, Vorurteile – keine Spur. Sie spielten zusammen, als sei es schon immer so gewesen.

Der so plötzlich ausgebrochene Rockerwahn wird ihn allerdings nicht von der Potsdamer Kabarettbühne fegen, wo Helmut Fensch seit 20 Jahren zum festen Inventar gehört. Sein Selbstbewusstsein bekam indes einen kräftigen Schub. Das war schon bei seinem Programm „Mann und Frau intim“ zu spüren, wo er sich an der Seite der quirligen Andrea Meissner das erste Mal im Duett wacker schlug. Drei Songs aus der Platte hat er in diesem Programm miteingebaut, darunter den Hardrock-Titel „Wohin?“.

Ja, wohin soll es gehen? Für Helmut Fensch steht fest, dass eine zweite CD folgen wird. Und auch auf ihr wird er sich nicht hinter seinem Musikgeschmack verstecken. „Ich stehe für Gute-Laune-Musik, bei aller Melancholie und Ironie, die in den Liedern steckt.“ Die Vergangenheit hat bei ihm angeklopft und wollte in Musik gegossen werden. Manche Sachen will man einfach für sich zu Ende bringen. Außerdem hat die Musik ihn noch enger mit seinem Sohn zusammengebracht. „Ohne ihn wäre das sicher nichts geworden. Diesen Mut bringt man alleine nicht auf.“ Georg and The Mädchenbehüter werden sich also nicht lange ausruhen auf ihrem Debüt. „Georg bin übrigens ich. So nennt mich meine Frau, weil sie den Namen Helmut nicht leiden kann. Und Mädchenbehüter kommt von einer Textzeile des letzten Liedes auf der CD, in der ich meine beiden Söhne besinge.“

Der Germanist stand schon als Student in Rostock mit Gitarre auf der Kabarettbühne. In Berlin gründete er dann selbst ein umstrittenes, schließlich von der DDR-Obrigkeit verbotenes Kabarett. Fensch schrieb über die Höhen und Tiefen der Satire, unter anderem für „Theater der Zeit“. Aufgrund seiner Artikel wurde das Potsdamer Kabarett auf ihn aufmerksam und machte ihn zum Dramaturgen. Bald brauchten sie aber auch einen Musiker. Und warum extra einen bezahlen? Also griff Helmut Fensch auch noch zur Klampfe und war wieder da, wo er angefangen hat: als Musiker und Kabarettist auf der Bühne.

Nun dreht er sich noch eine Runde weiter zurück nach vorn: beim Spaß am Spiel mit den Sixtees – ohne sich in Retro-Attitüden zu verlieren.

„Dorfbums“ mit Live-Präsentation des Debüt-Rock-Albums „Das hört nicht auf“ am Samstag, dem 7. September, 20 Uhr, Kabarett Obelisk, Charlottenstraße 22, Karten für 12,50 Euro unter Tel.: (0331)291069

7. September

20 Uhr

Dorfbums

Helmut Fensch präsentiert live sein Debüt-Rock-Album „Das hört nicht auf“

26.,27., 28. September

jeweils 19.30 Uhr

Drei Abende mit Walter Plathe und Pianist Peter Buchheim

am 26. 9.: Otto-Reutter-Abend: „Alles weg’n de’ Leut“,

am 27. und 28. 9.

„Der brave Soldat Schweijk“ nach Haseks

Roman mit Liedern von

Peter Ensikat

1./2. Oktober

19.30 Uhr

Potsdam – wie es singt und lacht: die besten

Obelisk-Songs der letzten zehn Jahre, gesungen von Gretel Schulze, Andrea Meissner, Andreas Zieger, Helmut Fensch

19. Oktober

18 Uhr

„Die Lange Nacht des Kabaretts“ mit Simone Solga, Frank Sauer und Stefan Schwarz

26. Oktober

19.30 Uhr

Geburtstagsgala Nr. 35:

eine Begegnung mit den Obelisk-Urgesteinen, dem A-capella-Quintett Das Hohe C und den heutigen Hausherren und -damen

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