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Kultur: Skeptischer Meister der Heiterkeit

Der holländische Maler Jan Commandeur zeigt in der Galerie Kunstraum seine komplexen Collagen

Stand:

Man muss das Fenster finden in den Bildern von Jan Commandeur. Pastellblau und spielerisch wirken sie auf den ersten Blick, ein fröhliches Chaos von Formen und Farben. Dann bleibt das Auge irgendwann hängen an diesen gestochen scharfen Fotos von Landschaften, von Bäumen, blauen Himmeln und purpurnen Tulpen, die sich in die Malerei einfügen. Sie funktionieren quasi als Eingang, aus ihnen ergibt sich der Rest der Bilder. Ohne die Fotos wären sie abstrakt oder – für ungeübte Augen – dekorativ. Mit ihnen entstehen komplexe Gebilde aus zwei Realitäten: Kunst und Natur, innere und äußere Welt. „Landscape/Mindscape“ heißt deshalb auch folgerichtig seine Ausstellung, die ab dem heutigen Samstag im Kunstraum zu sehen ist.

Landscapes, also Landschaften, beschreibt es dann auch besser als Natur, denn bei Commandeur findet man vor allem Wasser, schäumende Gischt am Strand oder Pfützen, in denen rostbraune Ahornblätter schimmern. Bäume, mal schwer von weißen Blüten, mal voller Blätter. Ganz selten entdeckt man Tiere, schwarze Krähen, Menschen findet man, winzig klein, nur auf einem einzigen Bild. Ein kleiner Streifen Köpfe, wie aus dem Fotoautomaten, die Gesichter sind geschwärzt. Etwas Menschliches und zugleich Warmes strahlt auch das Bild aus, das gleich daneben hängt. Fleischfarben ist es und durch die Anordnung der korallenroten Blüten auch ein wenig anzüglich.

Ebenfalls aus dem Rahmen – wenn auch auf ganz andere Art – fällt eine Serie von sechs Arbeiten, die im hintersten Raum der Ausstellung hängt. Sie sind viel kleiner als die anderen Bilder, vor allem aber fehlt ihnen das Leichte, Bunte. Neben der schwarzen Farbe auf weißem Grund finden sich hier nur ein paar Schlieren von Gelb und Orange. Durch den weißen Rand wirken die Bilder fast wie Polaroids oder Holzschnitte. Commandeur hat hier die Häuser in Grosthuizen gemalt. In dem kleinen Bauerndorf im Norden Hollands ist er 1954 geboren. „Bis heute fehlt es in den alten Häusern an Licht“, sagt er. Außerdem sei die Technik der Schwarz-Weiß-Malerei nützlich, wenn man schnell arbeiten wolle. Man erzielt ganz schnell eine starke Wirkung, mit Farben dauere es länger, eine Struktur herauszuarbeiten. „Diese Bilder sind stark mit Emotionen verknüpft.“ Schließlich ist es seine Heimat, der Ort seiner Kindheit. Und viel aus dieser Zeit findet sich in seiner Arbeit: Das Licht, das hier durch Blätter fällt, sich im Wasser spiegelt, die vielen Tulpen, das Wetter überhaupt.

Fotos finden sich in diesem Teil der Ausstellung nicht, die Collagetechnik hat er erst vor Kurzem für sich entdeckt – durch eine Spielerei. Damals kehrte er gerade aus Berlin nach Holland zurück, probierte ein wenig mit einem Bildbearbeitungsprogramm herum – und war „total überfallen“, wie er sagt, von der Wirkung, die die Fotos seinen Bildern verliehen.

Verspielt wirkt Jan Commandeur aber nicht, eher wie ein sehr disziplinierter Künstler. Einer, der hart arbeitet, und das am liebsten hinter verschlossener Tür. Selbst seiner Freundin hat er erst einmal Zutritt zu seinem Atelier gewährt – nach 14 Jahren Beziehung. Ditteke Mensink ist Dokumentarfilmerin und hat Commandeur im vergangenen Jahr porträtiert. „Ihr ist erst beim Dreh aufgefallen, wie skeptisch ich beim Malen gucke, so kannte sie mich gar nicht. Und ich mich auch nicht“, erzählt er und grinst. Aber es stimmt. Abwesend wirkt er, als er in seinen beigefarbenen Maleranzug steigt, sorgfältig die Farbe mit etwas Terpentin anrührt und dann eine Weile vor der weißen Leinwand steht. Ganz still. Erst dann verreibt er vorsichtig ein wenig Hellgelb auf der Fläche. Nicht mit einem Pinsel, der wäre nur eine unnötige Krücke zwischen ihm und dem Bild. „Er schafft zu viel Raum dazwischen“, sagt Commandeur. Er benutzt stattdessen Fetzen von Papier, um zu malen.

Mit den hellen Tönen fängt er an, alles Schwarze kommt erst zum Schluss. Was ihm abends nach getaner Arbeit richtig erscheint, kann aber am nächsten Morgen schon wieder Unwohlsein bei ihm hervorrufen. „Fertig ist das Bild, wenn mich nichts mehr stört.“ Was das ist, hat sich über die Jahre natürlich gewandelt. Vor 15 Jahren hat er schon einmal hier in Potsdam ausgestellt, „Wilde Träume“ hieß die Schau damals. Der Titel stammte nicht von ihm, sondern von einer Frau, die seine Bilder so beschrieben hatte. „Damals habe ich reduzierter gemalt, vielleicht auch impulsiver.“ Heute plant er mehr, baut seine Werke komplexer auf.

Das wird vor allem an den Bildern im Raum hinter der Treppe deutlich. Einige sind wie Triptychen angelegt: Drei große Fotos, drei Perspektiven der jeweils selben Landschaft. Einmal sind es Wellen, die über den Strand lecken, auch die Pfütze voller Herbstblätter taucht da wieder auf. Commandeur hat sie mit einem orangefarbenen Band verbunden, ein gemalter Fluss, der sich durch die Wasserfotos schlängelt. Über allen thront, wie die Spitze einer Pyramide, das Foto einer löcherigen Wolkendecke, von oben aufgenommen und im Abendlicht – natürlich ebenfalls – orange glühend. Dieses Bild ist vielleicht das beste Beispiel dafür, dass Arbeiten, die so heiter wirken wie die von Commandeur, nicht automatisch simpel sein müssen, dass nur das Tiefe besitzt, was schwer und gewichtig wirkt.

„Landscape/Mindscape“ von Jan Commandeur ist bis zum 25. Mai, mittwochs bis sonntags von 13 bis 18 Uhr, in der Waschhausgalerie Kunstraum in der Schiffbauergasse zu sehen

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