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Kultur: Skinheads, bunt

Familienatmosphäre: Das Ska-Festival im Lindenpark

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Skinheads entern die Bühne: Der farbige Sänger Roy Ellis hat sie dazu aufgefordert. Er will mit ihnen feiern – und umgedreht sie mit ihm. Denn der sonnengegerbte schwarze Mann im roten Anzug und mit Sonnenbrille ist die wichtigste Figur des freitäglichen Abends im Lindenpark. Denn trotz seines sichtlich hohen Alters hat er für seine Musik noch sprühende Begeisterung übrig: Ein Leben für den im Ska typischen Offbeat, also für die besondere Betonung des Beats zwischen den Taktzeiten. Mit seiner Show verhilft Roy Ellis dem ersten Tag des 16. Potsdamer Ska-Festivals zu einem fulminanten Abschluss, als auf der Bühne neben ihm rund 30 harte Jungs mit kahl geschorenen Köpfen, Arbeiterhemden und Hosenträgern den „Skinhead Moonstomp“ feiern.

Doch diese kurzhaarigen jungen Männer sind keine Klischee-Rechten, viele tragen extra Buttons und Aufnäher mit eindeutigen Bekenntnissen gegen Rassismus. „Die Nazis haben erst später das Skinhead-Outfit übernommen, eigentlich war unsere Jugendkultur anfangs unpolitisch“, erklärt Niko Knapp. Der junge Mann ist der Sänger der Weinheimer Band Dr. Woggle and the Radio, die schon zum zweiten Mal beim Ska-Festival dabei sind. Er vermutet, dass die meisten Besucher des Festivals links sind. Und will deswegen auch nicht weiter über Politik reden, sondern lieber das Potsdamer Festival und seine Organisatoren loben. „Für die Ska-Szene ist dieses Festival wohl mit der wichtigste Termin des Jahres“, sagt Niko Knapp. Und verweist auf die vielen Besucher aus dem Ausland: Amerikaner, Engländer, Polen, Tschechen – die bunte Ska-Welt verdichtet im Lindenpark. Rund 1000 Besucher sind es insgesamt, die am Wochenende im und vorm Lindenpark ihre Musik feiern und zelebrieren.

Das Lebensgefühl dieser Musik erklärt sich dabei von selbst, wenn Ska-Berühmtheiten wie „The Toasters“ auf der Bühne stehen. Recht schnell spielen sie, Trompete und Tuba bringen den typischen Klang zwischen tanzender Lebensfreude und melancholischer Reggae-Stimmung. Zwischendurch klettert sogar ein etwa 10-jähriges Kind mit auf die Bühne und tanzt neben Gitarrist und Sänger Robert „Bucket“ Hingley, dem einzigen Gründungsmitglied der wohl dienstältesten amerikanischen Ska-Band. Er lächelt auf den Jungen herab, der bereits ein klassisches Skinhead-Arbeiterhemd trägt. Nach einem Song holen die Eltern des Kleinen ihren Spross wieder von der Bühne, auch Mama und Papa sehen wie typische Ska-Fans aus. Im Publikum gibt es Extra-Applaus für die Aktion: Familienatmosphäre zwischen Skins.

Und so klingt auch der Sonnabend aus, an dem die Konzerte auf der Bühne hinter dem Lindenpark unter freiem Himmel stattfinden. Der letzte Auftritt gehört dabei Dennis Alcapone, ebenso eine Ska-Legenden aus Jamaika. In der lauen Sommernacht Potsdams kann sich der Sänger in weißem Anzug und weißem Hut fast heimisch fühlen. Seine Art von Ska klingt entspannt, bei manchen Songs schier endlos verspielt, fast psychedelisch. Vor der Bühne tanzen die Fans, ihre Arme in Richtung Himmel gehoben. Unter den Feiernden: Ein bulliger Typ mit einem T-Shirt, auf dem „Jesus Skins Nazareth“ steht. Bunte, und hier so friedliche Skinhead-Szene

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