Von Gerold Paul: Skizzierte Zappendusterheit Premiere mit der Jugendtheatergruppe Tarantula
Eine Stadt ohne Licht – eine Stadt in Angst, wenn auch nur für den Moment! Täglich um 20.
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Eine Stadt ohne Licht – eine Stadt in Angst, wenn auch nur für den Moment! Täglich um 20.20 Uhr geht hier das Licht aus, für genau 20 Sekunden. Woran liegt es, wer ist schuld daran? Alle in dieser von der Jugendtheatergruppe „Tarántula“ des Offenen Kunstvereins erdachten und gebauten Stadt mit den gen Himmel gerichteten Etagen sind in Aufruhr. Jeder hat so seine Erklärung, die Leute im Rathaus, die feinen Damen im Schönheitssalon, die Künstler-WG, die Musiker auf der Straße. Die Stadt als Thema, gar als „Phantom“, war jüngst nicht allein einem Zeichen-Zirkel aufgetragen, auch Ulrike Schlues Theatertruppe machte sich darüber Gedanken. Am Sonnabend kam ihre mit zufällig zwanzig Darstellern besetzte Eigenproduktion „Zappenduster – Stadt in Angst“ im proppenvollen T-Werk zur Premiere. Die zeichnende Zunft zeigte ihre „Phantom“-Bilder zeitgleich im Foyer.
Die Geschichte mit dem zähen Anfang und einem überraschenden Finale kam äußerst schwer in Gang. Jede der vier Spielorte bekam eine kurze Chance, sich einzuführen, wobei es mehr um Situationen als um Figuren ging.
Einzig das musikalische Trio Karl Wehling, Louis Ristow und Flora Gräf traten fast wie echte Bühnenfiguren auf, auch wenn alles viel zu leise und viel zu unspezifisch artikuliert wurde. Der genau zwanzigsekündige Stromausfall beschäftigt alle, und jeder gibt der anderen Gruppe die Schuld. So wird im Schönheitssalon ein Puff vermutet, oder die Herrschaften im Stadthaus würden nach Feierabend allesamt und gleichzeitig Computerspiele ausprobieren, was das Stromnetz zusammenbrechen lasse. Jeder Verdacht gerinnt in einer szenischen Darstellung, freilich ohne dramaturgische Folgen.
Eines Tages bietet ein Jung-Ausländer ausgerechnet um 20.20 Uhr seine Äpfel an, zwanzig Stück für zwanzig Cent! Der Groschen fällt, „die Stadt“ lyncht den Ärmsten im Kollektiv, was leider viel zu klein inszeniert worden ist. Natürlich will es keiner gewesen sein. Auch die Ermittlungsbehörde gibt das zu – Fortsetzung in der nächsten Theater-Produktion.
Dieses Spiel mit dem dunklen Hintergrund ist zwar heiter gedacht, macht aber trotz seiner originellen Anlage eher einen traurigen Eindruck. Die Gründe sind theatralischer wie bühnentechnischer Art: Kaum eine Situation ist durchgestaltet, unter Spannung gesetzt und vollendet, die Bühnenauf- und -abgänge haben keinen „Zug“, nachlässig bleibt auch die Sprachbehandlung.
Alles ziemlich ungewöhnlich für eine erfahrene Bühnenfrau wie Ulrike Schlue, die seit Jahren in Potsdam mit jungen Leuten so viele schöne Sachen erfindet. An der Spielfreude der jugendlichen Personage lag es nicht.
Die Premierenvorstellung glich also mehr einer Skizze als einer fertigen Produktion. So darf man die angezeigte Angst tarantelmäßig ins Publikum tragen, vielleicht sitzt dort der schuldige Schuft? Einen Fokus braucht man, Spannung und Kraft, und dass man die Kernszene mit besonderer Sorgfalt baut, versteht sich von selbst. Das „Trio de Janeiro“ wiederum hätte doch wenigstens einen Song durchklampfen können. Alles zusammen käme man dann auf eine Spielstunde.
Gelöst ist am Ende gar nichts. Einer ist tot, die Stadt verdunkelt sich weiter, Angst hält an. Dies muss immer spürbar bleiben.
Gerold Paul
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