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Kultur: So neu und so schön

Klavierabend bei den „Intersonanzen“

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Berlin ist anders als Potsdam. Da kann es durchaus sein, dass man in Sachen Neuer Musik kaum noch einen Stehplatz bekommt, weil das Interesse am Zeitgenössischen, am aktuellen Ausdruck der Zeit, einfach da und groß ist. Aber in Potsdam blieb am Donnerstag das Team der „Intersonanzen“, des Brandenburgischen Festes für Neue Musik, inklusive seiner rumänischen Gäste im Foyer des Nikolaisaales bei einem exzellenten Klavierabend weitgehend unter sich. Schade, warum waren keine Studenten da, keine junge Wilden, kein Nachwuchs? Diesseits allen künstlerischen Willens und jenseits von Genüsslichkeit hätte es sich durchaus gelohnt, einer raffinierten Melange aus deutscher und rumänischer Musik neuester Machart Referenz zu erweisen. Nicht nur weil Gelegenheit war, den ausgefeilten Griff- und Spielkünsten des Pianisten Moritz Ernst zu begegnen, der zum Beispiel bei Vlad Hirlav Maistorovicis „transScent“ eine wundersame Korrespondenz zwischen Tastatur und den angezupften Saiten im Resonanzraum herzustellen wusste; langer schöner Nachhall. Auch Violeta Dinescus „Flugbilder und Silhouetten“ sind stark auf Kontraste gesetzt, Anmut und Kraft wurden sich hier auf harmonische Weise immer wieder einig, herrliche Akkorde, wenig Dissonantes, zuletzt, man ahnt es, ein Absturz, wie beim alten Ikarus. Dies Stück hat den existenziellen Geist der Antike. Und die Partitur zierten tatsächlich Flugbilder von Vögeln.

Staunenswert jedenfalls, mit welcher Behutsamkeit, mit wie viel Gefühl man im diesjährigen Gastland Rumänien auf neue Weise zu komponieren versteht. Unter den fünf vorgestellten Werken ging keines von formalen Kopf-Impulsen aus, eher entwickelte man, nach stets eindrucksvoller Analyse, die oft mit zwei oder drei Tönen auskam, eine harmonische Idee. So entwickelte sich auch bei Carmen Maria Carnecis „conSolar“ ein spannungsvoll-schönes Wechselspiel zwischen extrem tiefen und extrem hohen Stimmen. Die Tempi meist auffallend langsam, aufeinandergetürmte Klangschichten fehlten meist, eher ein klar geordnetes Nacheinander der Noten. Sehr schön, sehr homogen, diese Musik, auch bei dem zum Minimalismus neigenden „Sunyata – the joyful emptiness“ von Gabriel Malancioiu, der sich bis zu den höchsten Tasten der Klaviatur wagte, wo geradezu gläserne Töne entstanden. Diana Rotaru mochte es bei „Debumesquisse“ dagegen etwas kräftiger.

Nach der Pause folgten Arbeiten von hier lebenden Komponisten: Gabriel Iranyis „Bird in Space“, welches mit einem kraftvollen Doppelschlag beginnt und dank seiner Sonartöne und kosmischen Anmutungen mehr spacehaft als skulpturell wirkte. Die „Liszt Variationen“ von Johannes K. Hildebrandt machten unmissverständlich klar, dass Liszt offensichtlich ein Bruder der Intersonanten war. Hildebrandt bindet Altes und Neues mit viel Geschick aneinander, er weiß auch, Harmonien bis zur Raserei zu steigern. Hier wurden sogar Hiebe verteilt. Gerold Paul

Im Rahmen der „Intersonanzen“ findet am heutigen Samstag um 17 Uhr ein Komponistengespräch und um 19 Uhr ein Konzert mit dem Ensemble Profil im Potsdam Museum, Am Alten Markt 9, statt

Gerold Paul

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