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Kultur: „So oft der Morgen uns erscheinet“

Potsdam Museum und Frauenzentrum veröffentlichen Potsdamer Poesiealbum aus dem 18. Jahrhundert

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Wer zu einer Generation gehört, die ihre Kindheit in der Zeit vor dem Siegeszug von Internet und sozialen Netzwerken wie Facebook verbrachte, kann sich gewiss noch an kleine Alben erinnern, die in der Familie, unter Freunden und Klassenkameraden von Hand zu Hand gingen und in die jeder gute Wünsche, literarisch verbürgte Lebensweisheiten oder Freundschaftssprüche eintrug: die Poesie- oder Freundschaftsalben.

„Poesie- oder Freundschaftsalben“, sagte die Direktorin des Potsdam Museums-Forum für Kunst und Geschichte, Jutta Götzmann, am gestrigen Freitag, „sind für uns wichtige Bestände, weil sie auch über die soziale Struktur der Stadt informieren.“

60 bis 70 dieser Bändchen von Potsdamerinnen und Potsdamern aus der Zeit von der Mitte des 18. bis hinein ins 20. Jahrhundert gehören zum Sammlungsbestand des Potsdam Museums. Zu einem hat die Historikerin Silke Kamp mit vier Teilnehmerinnen eines Workshops am Frauenzentrum Potsdam geforscht und recherchiert. In Kooperation zwischen dem Potsdam Museum und dem Frauenzentrum entstand als Ergebnis dieser Forschungsarbeit das Buch „‘So oft der Morgen uns erscheinet‘ – Das Album der Sophia Nürnbach“ (9,50 Euro), das am Freitag im Potsdam Museum vorgestellt wurde. Sophia Charlotte Nürnbach war die Tochter eines Potsdamer Tischlers, die Einträge in ihrem Poesiealbum – Verse, Briefe, Zeichnungen – entstanden zwischen 1785 und 1797.

„Es ist nicht nur das älteste bekannte erhaltene Album Potsdams, das einer Frau gehörte, sondern auch deshalb eine Besonderheit, weil darin so auf das Leben seiner Besitzerin eingegangen wird“, sagte Silke Kamp, die bereits beim ersten Durchblättern der sepiabraunen, oft mit Illustrationen mit Hand versehenen Seiten fasziniert war. Ihre Begeisterung übertrug sich auf die Workshop-Teilnehmerinnen, die Stück für Stück die alte deutsche Schrift Sütterlin erlernten, um eigenständig in Archiven nach Details forschen und letztlich alle Einträge des Albums in die heutige lateinische Schrift transkribieren zu können.

Diese Transkription, die zum Teil mit gemeinsam erarbeiteten Randnotizen versehen wurde, bildet das Herzstück des Buches. Es wird durch einen Bildteil vervollständigt, der originale Handschriften und Zeichnungen vorstellt. Aufsätze, die Texte unter verschiedenen Gesichtspunkten einordnen, ergänzen die Publikation.

So beginnt das Buch mit einem Aufsatz über Salons und Geselligkeit im 18. Jahrhundert von Hannah Lotte Lund, der auch in die Kommunikationsgewohnheiten der damaligen Zeit einführt. In „Sophias Potsdam“ versucht Silke Kamp, ihr Leben zu rekonstruieren. Renate Lischke ordnet in ihrem Aufsatz die Texte des Albums in eine chronologische Reihenfolge und entnimmt dieser Erkenntnisse über die sich verändernde Lebenssituation der Protagonistin. Und der Aufsatz über die eigene Bildsprache von Stammbucheinträgen, der die Botschaften und Bilder des Albums enthüllt, ist eine Gemeinschaftsarbeit der Autorinnen.

Jutta Götzmann, die das Vorwort des Buches verfasste, kündigte an, Sophia Nürnbachs Album als Exponat in der für 2013 geplanten neuen Dauerausstellung des Potsdam Museums einsetzen zu wollen – auch wenn das aufgrund des sehr empfindlichen Materials nur kurzzeitig möglich sei. Gabriele Zellmann

Buchpräsentation „So oft der Morgen uns erscheinet. Das Album der Sophia Nürnbach“ am kommenden Mittwoch, dem 15. Juni, 19 Uhr, bei bei „primaDonna“, Schiffbauergasse 4h

Gabriele Zellmann

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