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Kultur: So viel Liebe im Raum

Die Ausstellung „Treasure Trove – Eine Fundgrube öffnet sich“ feiert 50 Jahre Fluxus-Bewegung

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Im Potsdamer Fluxus-Museum ist man stolz auf das Plus im Namen. Das Museum „Fluxus+“ will ja mehr sein als einfach nur Fluxus, jene Spielart der Moderne, die sich auf dem Satz „Alles ist Kunst“ gründet, mit ihm lebt oder stirbt. Ein solches Plus oder gar Extra-Plus kann man nun als Sonderschau im Atrium des Hauses bewundern. Zum krönenden Abschluss von „50 Jahre Fluxus“ wird mit „Treasure Trove – Eine Fundgrube öffnet sich“ ein Ereignis geboten, das es weltweit in dieser Gestalt noch nicht gab. Der treuen Verbindung zwischen dem Haus in der Schiffbauergasse und der Fluxus-Künstlerin Ann Noël ist es zu danken, dass der interessierte Ausstellungsbesucher jetzt Kunst- und Lebenszeugnisse von wenigstens der halben Fluxus-Elite weltweit in einem Raum zu sehen bekommt.

Ob nun John Cage oder Robert Filliou, Thom Wasmuth oder George Brecht, Joseph Beuys oder Marcel Duchamp, Dorothy Iannone oder Arthur Köpcke, AY-O oder Joe Jones – die seit 1980 in Berlin lebende Britin und ihr 2007 verstorbener Gatte Emmett Williams hatten mit allen großen Namen zu tun. Man besuchte einander, arbeitete und feierte zusammen – und hinterließ stets etwas, das weiß Gott nicht immer mit Kunst zu tun haben musste. So brauchte man wenigstens keine unnützen Geschenke zu kaufen! Mehr als 40 Namen vereint der von Ann Noël handgefertigte, leider unverkäufliche Katalog, und das sollen noch nicht mal alle Juwelen dieser fröhlichen Fluxurianer sein!

Was sie in ihren eigenen vier Wänden nicht alles für Schätze und Schätzchen, Dickelchen und Dackelchen hütete: Al Hansens „Holzblock“ von 1969, Richard Hamiltons Rolling-Stones-Poster (1967), den Mini-Holzschuh von Alison Knowles, ein Foto von Georges Macuinas, ihn 1976 „Doing shit work“ zeigend, Jaroslaw Kozlowskis präparierten Wecker zum Geburtstag von Ann 2004, ein Katalogblatt von Nam June Paik, Bilder, bekritzelte Briefumschläge, Handzeichnungen, Objekte und weitere Artefakte aus Künstlers eigener Hand. Was für eine Habschaft, eine Sammlung für sich! Klar, dass bei einer so opulenten Präsentation auch Arbeiten des Künstlerpaares Noël/Williams gehören, etwa Anns Valentins-Herz für ihren Emmett von 1970, dem Jahr ihrer Hochzeit. All diese Dinge bezeugen ja etwas. Es sind Gaben, oder sogar Liebesgaben, wie die Künstlerin bei der Vernissage am Wochenende ausdrücklich hervorhob. „Die Fluxus-Leute haben sich geliebt!“, sagte sie, deshalb sei auch hier, im Atrium, „so viel Liebe im Raum“.

Ob man dies nach so vielen Jahren immer noch spürt, wird der wohlgesonnene Besucher selbst herausfinden müssen. Alles verblasst ja mit der Zeit. Andererseits ist diese Schau selbst ein kleines Remake auf die Fluxus-Ästhetik, fließen hier doch sozusagen ganz private Dinge erstmals in die Öffentlichkeit. Dass der avantgardistisch Ungelenkte mit all den mehr oder weniger kostbaren Stücken an der Wand und in den Vitrinen ein bisschen alleingelassen wird, steht auf einem anderen Blatt. Ann Noël verzichtete bewusst auf Untertitelungen, sie wollte den Bild-Wert eines Exponates nicht beeinträchtigen. So bleibt dem Besucher nichts anderes, als mit dem in Englisch verfassten Katalog in der Hand seine eigenen Pfade durch den Zweckbau in der Schiffbauergasse zu finden. Das kann durchaus spannend und bildsam sein, wer kennt schon all die Leuchten des Fluxus von einst! Insofern ist die Sonderschau ganz Differenz: Zwischen Privat und Öffentlich, zwischen Heute und Gestern, zwischen Bekannt und Unbekannt. Das funktioniert, wenn man bei den Jetzigen nicht all zu viel voraussetzt.

Man kann das Ganze natürlich auch ohne Fluxus-Idee entdecken, gleichsam als Dinge an sich. AY-O´s wundervolle Seidendrucke, oder den Stein „Void“ von George Brecht zum Beispiel – da ist viel Witz, viel Keckheit drin.

„Treasure Trove – Eine Fundgrube öffnet sich“ ist noch bis zum 27. Januar im Museum „Fluxus+“ in der Schiffbauergasse zu sehen

Gerold Paul

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