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Kultur: „So wie es früher der Fall war“

In der „arche“: Johannes Laas über Tradition und Traditionsbrüche in der katholischen Kirchenmusik

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In der „arche“: Johannes Laas über Tradition und Traditionsbrüche in der katholischen Kirchenmusik Auch am Tag, als Deutschland gegen Argentinien spielte, gab es in der „arche“ einen nicht gering besuchten Vortrag. Johannes Laas, Katholik und Musikwissenschaftler an der Universtät der Künste Berlin, beschäftigte sich mit „Tradition und Traditionsbrüchen in der katholischen Kirchenmusik des 20. Jahrhunderts“. Man erwartet Namen, Noten und Tendenzen, doch spätestens bei den zunehmend kritischer werdenden Nachfragen stellte sich heraus, dass er – mehr als die lebendige Kirchenmusik – die Vatikanische Dogmatik zu befördern gedachte, welche sich mit der Schönberg“schen Atonalität genauso auseinandersetzen musste wie mit den gesammelten Irrtümern eines Adorno. Beides traf den alten Ritus „römischen Glaubens“ offenbar ins Herz. Man komponierte nicht mehr wie in alter Zeit. Aber „taugen“ die musikalischen Neuschöpfungen für die traditionelle Messe, und wer bestimmt eigentlich, was recht und „heilig“ sei? Obwohl „früher nicht alles besser war“, warb der Referent mit Pius X. und all seinen Nachfolgern dafür, die „Musica sacra“ „aus dem Geiste der katholischen Liturgie“ zu erneuern. Jener Pontifex fixierte in seinem Reformwerk „Omnia instaurare in Christo“ von 1903 ein bis heute gültiges Diktum: Liturgie gleich Musica sacra, Musica sacra gleich Liturgie, wie sie sich „rein“ nur im Gregorianischen Gesang lateinischer Sprache („künstlerischer Ausdruck des Katholizismus“) manifestiere, tradiert seit eh und gültig bis Ultimo; sonst könnte man sich ja auf dieses „Erbe“ schlecht berufen. Nach Laas sei dieser Stil nicht nur im ganzen ersten Jahrtausend, sondern auch beim biblischen Abendmahl gepflegt worden. Das nahm er aber später etwas zurück. Nun lässt sich über Lebendigkeit von Tradition und die Starre des „Traditionalismus“ theoretisch wohl lamentieren, denn erstere ist, zusammen mit der Liturgie, schlichtweg die tragende Säule katholischen Selbstverständnisses, in einer Priesterkirche, darin man, um des Ritus willen, dem akklamierenden Volk lange Zeit die Ränge zuwies und bis heute glaubt, allein die lateinische Sprache sei der Weg in den Himmel. Auch der neue Papst hält an der – von Palestrina veränderten! – gregorianischen Tradition fest. Das ist verwunderlich, denn das 2. Vatikanische Konzil (1962-64) reformierte den Gebrauch der Musik inner- und außerhalb der Kirchen an prominenter Stelle. Zum Entsetzen der Traditionalisten („Erbe geopfert“) wurden die Regeln gelockert, sogar Popmusik zugelassen. „Gott ist kein Singender mehr“, seufzte Pater Urbanus in Südtirol. Auch Laas sieht in diesem Konzil einen „klaren Traditionsbruch“ auf Kosten des Ritus. Unmöglich, „dem Herrn ein neues Lied“ zu singen? Ein Wettbewerb in Brixen hatte das in den Sechzigern versucht, doch kein Bewerber war in der Lage, eine „liturgische Gregorianik“ modernen Stils zu komponieren. Wenn das schon nicht mehr zu machen sei, sollte man heute wenigstens „Schönes in ihrem Geiste“ schaffen, so der Referent etwas verwaschen. Zuerst das Dogma, dann die Musik! Die lateinische Messe als „Herz des kirchlichen Lebens“ soll trotz des Konzils gegen alle „modernistischen Anfechtungen“ verteidigt werden. Eine „deutsche Gregorianik“ wird zwar inzwischen anerkannt, jedoch mit dem Kommentar, „deutsche Lesetöne“ ließen nur „unkünstlerische Adaptionen“ zu. Der Vatikan bestimmt die „Heiligkeit“ seiner Kirchenmusik selbst. Pius“ X. Wunsch, dass alles werde, „so wie es früher der Fall war“, bleibt wohl nur ein Traum. Georg Martinger Heute: Macht, Moral, Moderne. Von Ignatius zu Sartre. 20 Uhr

Georg Martinger

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