Kultur: Sommernachtstraum mit Erpelsturz
Das Jubiläumskonzert des „Czech Nonett“
Stand:
Das Jubiläumskonzert des „Czech Nonett“ Von Gerold Paul „Sei mir gegrüßt, mein Berg, mit dem rötlich strahlenden Gipfel!“, so jubelte Schiller, als er beim „Spaziergang“ endlich oben war. Auch das Belvedere glänzte am Sonnabend mit solchem Abendlicht. Barbara Heidenreich hatte am vorletzten Tag des Frühlings zu einem exklusiven Konzert im Innenhof der weitblickenden Anlage eingeladen, zum „Potsdamer Hofkonzert“ auf dem Pfingstberg (Kooperationspartner war der Förderverein) eben. Die vielen Besucher am Geviert der illuminierten Wasserbühne erwartete „Ein Sommernachtstraum“ mit dem „Tschechischen Nonett“, einem der ältesten Kammermusik-Ensembles der Welt. Die Luft war kühl, als es dunkelte – zu Wagner, Smetana und Dvorak rezitierte der Schauspieler Jens-Uwe Bogadtke in zwei geschlossenen Blöcken Heinrich Heine. Für das um vier Gäste erweiterte Ensemble war es ein Jubiläums-Konzert. Studenten des Prager Konservatoriums gründeten es in der Besetzung von vier Streichern und Bläserquintett vor genau 80 Jahren mit weitreichenden Folgen: Komponisten wie Foerster, Hába, Prokofjew und Lutoslawski schrieben und widmeten ihm ostentativ neue Werke, die Nonett-Kultur des 20. Jahrhunderts blühte überall in Europa auf, sogar bei „Persius“ in Potsdam. Man konnte also vieles von den Gästen der Moldau erwarten, und wurde nicht enttäuscht. Zu Beginn gab man Wagners „Siegfried Idyll“ WWW 103, eine wahrhaft pastorale Komposition über ein sanftes Thema, welches, von den Streichern geführt, dann von den Bläsern übernommen, fast bildhaft den teutonischen Helden Urständ'' feiern lässt. Das Nonett bestach bei diesem Vortrag durch kunstvolle Einfühlung in das liedhaft-deutsche Thema und geradezu filigrane Abstimmung beim Musizieren, eine erstklassige Ensemble-Leistung im Wortsinne. Hervorzuheben Martin Kos als erster Geiger und die unbekannte Waldhorn-Bläserin, welche bei Wagners silvestrischen Phantasien nicht gerade wenig zu tun bekam. Das zweite Musikstück auf der hölzernen Wasserbühne war die Serenade d-Moll op. 44 von Antonin Dvorak in einer Bearbeitung von Frantisek Hertl. Ein „Abendständchen“ wie aus dem Lehrbuch: Kopf- und Finalsatz sind als Marsch komponiert, dazwischen ein sehr hübsches Tanzstück (Minuetto) mit reichen Horn-Verzierungen, und ein Andante in fast motorisch-stampfenden Takten, darin das Werk seine Umkehr findet. Das recht alerte Finale fasst die Motivketten des viersätzigen Werkes noch einmal zusammen, bevor ein sanft geblasenes Horn die letzte Codierung fügte. Schön kam das über die stillen Wasser des Belvederischen Bassins. Im Luftraum des mauernen Gevierts indes haschten schrill kreischende Mauersegler vom Licht gefangene Insekten – die Natur gab ihre Kulissen hinzu. Jens-Uwe Bogadtke stellte mit seinem Gedicht-Zyklus „Ein Leben in Liebe und Zorn“ den amourösen, rebellischen, aber auch den leidenden Heine vor, der den Dialog mit Gott gesucht und sich selbst sehr bescheiden „einen der besten in Deutschland“ nannte. Er schwärmt vom „wunderschönen Monat Mai“, fragt den Nachtwächter, ob sein Vaterland schon befreit sei, wettert über Deutschlands König und seufzt, weil die Loreley es getan. Vom eigenen Sterben handelte „Die Söhne des Glücks“, doch gab der exzellente Rezitator – das Heinesche Ich in all seinen Schattierungen suchend – mit „Beine hat uns zwei gegeben“ einen teleologisch-heiteren Schluss. Außer der „Sommer-Frische“ passte an diesem Abend alles zusammen, das Nonett in seinem modernen Musizierstil, tschechische Komponisten neben Wagner – und die obligatorische „Hofkonzert“-Überraschung: Kurz vor dem Ende der so heiter gegebenen „Drei tschechischen Tänze“ von Smetana landete ein Erpel im Sturzflug auf dem Bassin, äugte verdutzt in die Runde und entfloh im Steilflug. Für den ersten Satz aus Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ als Zugabe standen die Sterne etwas kühl am Himmel. Open air im Juni bleibt ein Risiko. Aber der bibbernde Zuhörer, oben am Berge in Mauern, wurde mit einem Feuerwerk vom nahen BUGA-Gelände versöhnt. Die Veranstalter hatten versprochen, bis zum Ende des Nonstop-„Sommernachtstraumes“ damit zu warten. Auch das ist zu loben.
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: