
© Andreas Klaer
Ausstellung im Potsdamer "KunstHaus": Sonderbares Interieur
Die Ausstellung „Moinsen, Plastiken und Installationen“ von Julius Dörner ist noch bis Sonntag im Potsdamer „KunstHaus“ zu sehen. Der Künstler ist Schalk, Provokateur und Parodist der bürgerlichen Wohnstube zugleich.
Stand:
Julius Dörner bereitet derzeit seinen Abschluss an der Berliner Uinversität der Künste vor. Obwohl also sein Berufs- und Berufungsleben gerade erst beginnt, traute sich das „KunstHaus“ Potsdam frühe Werke des gebürtigen Hamburgers auszustellen. In Anlehnung an die dortige Art, möglichst vielen Leuten gleichzeitig einen guten Morgen zu wünschen, hat er sie „Moinsen, Plastiken und Installationen“ genannt. Auf den ersten Blick mag das übertrieben erscheinen. Gleich am Eingang wird man von einer streng geometrischen Wand begrüßt, aus etlichen Triëdern schwarzer und weißer Farbe bestehend. Ein reliefartiges Feld aus Pressspan und Sperrholz von einiger Größe, doch ganz ohne Makel. Da ihr jede Abweichung, also lebendiges Leben, fehlt, könnte sie genauso gut am Reißbrett erdacht worden sein; als Entree aber ist das gar nicht mal schlecht.
Pressspan und Sperrholz, Glas, Messing, Holz, Gipskarton, Plastik und ähnliche Materialien sind auch der Stoff, daraus die anderen Werke erdacht und gebaut worden sind. Man wundert sich, wenn man plötzlich vor einer Wandfläche namens „Fliesen: Rot/Weiß (Alt Berlin)“ steht oder eine kleine Arbeit mit dem Titel „Abluft“ entdeckt, welche mit ihrem Gitter an ein technisches Detail aus dem Baumarkt erinnert. Auf einem grauen Wandbrett sind kleine Basteleien aus Pressspan unter dem Titel „Ordnung“ arrangiert, von den vielen aus Türklinken, Wandleuchten, Kerzenhaltern und PET-Rohlingen gebauten halbsakralen Schreinen ganz zu schweigen.
Sonderbares Interieur! Warum hat er Alt- und Neubautüren längsseits in Streifen zersägt und sie in den Originalfarben als Objekt an die Wand aufeinander getürmt, warum dieses technisch-geometrisches Interesse, darin so wenig Leben steckt? Vielleicht sind die beiden abstrakten Kameraden, Vormieter I und II genannt, dem modernen Kunstbegriff noch am bekömmlichsten, zumal an ihren Flächen und Ecken mancherlei Farbe zu finden ist, mehr als bei anderen Objekten.
Nun, bei Julius Dörner verhält es sich derzeit so: Er ist ein Schalk, ein Parodist der bürgerlichen Wohnstuben, dazu auch ein Provokateur. Er sieht in den guten Stuben die Ordnung, die Repräsentation, die schreinartig drapierte Gegenständlichkeit sinnloser Dinge und reagiert darauf. Seine gestapelten Türfragmente wirken wie Barrikaden gegen die menschliche Neugier, der Pressspan parodiert das kostbare Furnier des Meublements, die Fliesenwand zeigt, dass mancher nicht mehr weiß, wo etwas hingehört, und besagte Vormieter waren dann wohl ganz schön bunte, kantige Gesellen. Vieles dieser Wohn-Art ist für ihn – er benutzt gern sprechende Titel – einfach nur „Luftblase“ oder „Teststück“. Sogar auf der Toilette findet man noch eine Arbeit von ihm: Na, wenn das keine Botschaft ist!
Optisch macht diese Galerieausstellung also herzlich wenig her. Sie überhaupt zu wagen, soll ohne Lob nicht sein. Allerdings ist es gut möglich, dass der junge Künstler seine Ideen manchmal klarer im Kopfe sieht, als er sie vermitteln könnte. Auch scheint es ihm noch nicht so recht zu gelingen, toten Dingen tatsächlich Leben einzuhauchen, was Kunst ja soll und vermag. Dass er dafür weiß, wo sie hingehört, hat er manch Älterem voraus. Am allerwichtigsten ist für ihn, was seine befremdlichen Werke beim Betrachter auslösen. Das mag hier und da auch funktionieren. Wer freilich in rezeptiver Gegenwehr nur sekundäre Stoffe erblickt, geht auch nicht ganz fehl. Dann sieht man mehr auf die Herkunft. 20 Arbeiten sind dergestalt noch bis Sonntag zu beäugen, zu prüfen, auch im Obergeschoss, wo weitere Wunderlichkeiten wie „Immer Zuhause“ und „Monokel“ auf- und ausgestellt sind.
Vielleicht ist dies alles tatsächlich nur eine bitterböse Parodie auf den gutbürgerlichen Ordnungs- und Schönheitssinn, der überall gepflegt und zelebriert wird. Auch in den Galerien! Im „KunstHaus“ indes wird dieses Prinzip einfach auf den Kopf gestellt. Julius Dörner schafft es sogar, den meist so humorlosen Kunstbetrieb an sich zu binden. Der Gipfel aller Subversion! Kurzum, der Mann aus Hamburg nimmt die Freiheit der Kunst noch beim Wort! Ganz in diesem Sinne: moin also, moin!
Noch bis zum morgigen Sonntag von 12 bis 17 Uhr im „KunstHaus“ im Ulanenweg 9
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: