Kultur: Sonne, Pool, Casino
Reithalle-Lesung mit „Heinz Strunk in Afrika“
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„Gibt’s was Neues, Bursche?“, fragt er, obwohl sie sich doch erst vor fünfzehn Minuten an der Rezeption verabschiedet hatten. „Was soll es Neues geben? Wir haben uns doch gerade gesehen.“ „Die grundlegendsten Dinge ändern sich in wenigen Sekunden“, sagt sein Kollege. „Denk mal an den 11. September.“ Und nun sitzen sie nebeneinander am Pool ihres Hotels und trinken Rotwein. Sie planen die nächsten Tage ihres Afrikaurlaubs. „Casino, sag ich!“, schlägt der Kollege vor. Wenn man zu Weihnachten nach Afrika reist, um dem deutschen Winter zu entfliehen, sollte man unbedingt in Badehose am Pool sitzen und abends sein Geld verspielen.
Von Heinz Strunk gibt es seit Januar etwas Neues, einen neuen Roman. Am Dienstag stellte er ihn mit dem Titel „Heinz Strunk in Afrika“ in der Reithalle vor. Er wolle sein langes Buch im Schnelldurchlauf von A-Z lesen und zu einer Kurzgeschichte komprimieren. Der Abend verlaufe in zwei Abschnitten, so Strunk. Im ersten Teil lese er, in der Pause solle das Publikum „Alkohol nehmen“ und dann gebe es noch eine tolle Überraschung im Abschnitt B. Strunks Fans kennen und schätzen seine typisch zynische Art und seine besondere Erzählweise. In seiner, wie er sagt, „näselnden Fistelstimme mit auffallendem F-Fehler“ las er dann Passagen aus seinem Buch. Er las äußerst schnell und verschluckte oft einzelne Silben bis Worte, sodass man phasenweise Probleme hatte zu folgen. Manchmal klang es fast, als ob ein Betrunkener versuche, eine Geschichte zu erzählen. Aber das tat dem Vortrag keinen Abbruch, denn die Strunk-typische Erzählweise macht die Geschichten authentisch. Die Ereignisdichte seines Romans ist, wie er selbst sagte, nahe dem Gefrierpunkt. Und doch versprach er höchste Dichtkunst. Oder zumindest einige Lacher.
In dem Roman geht es darum, dass Heinz Strunk mit einem Freund, dem der Leser nur als „Kollege C.“ vorgestellt wird, im Dezember 2007 nach Afrika reist. Am Anfang passiert tatsächlich nicht viel Spannendes: Sonne, Pool, Glücksspiele im Casino und der übliche Urlaubsfrust über nervende Mitreisende, zu starke Klimaanlagen und schlechtes Essen. Strunk und sein Kollege erwarten auch nicht viel vom Urlaub. Sie sehen sich als „Dick und Doof der Pauschalreise“ und finden, dass Reisen, auf denen nichts passiert, den höchsten Erholungswert haben. Da ist schon die Urlaubsfeindschaft mit Ehepaar Wolf von den Liegen gegenüber das Spannendste. Gegen Ende des Romans wird es dann doch noch geradezu abenteuerlich. Denn am 26. Dezember kommt es nach Wahlen zu Unruhen in Kenia. Strunk steckt mittendrin und sein Kollege wird zu allem Überfluss entführt. In Strunks Büchern muss allerdings auch nicht viel passieren. Es sind vor allem die bösen, wie er sagt „genauen“ Beschreibungen seiner Mitmenschen und Umgebung, die seine Anhänger lieben. Die Lesungen von Heinz Strunk sind eine kleine One-Man-Show. Wenn es etwas zu singen gibt, singt er mit tiefer Stimme. Wenn es etwas zu schreien gibt, schreit er. Manchmal haut er energisch mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass man seine Worte kaum verstehen kann. Und er präsentiert ein kleines Repertoire an unterschiedlichen Sprecherstimmen, zwischen denen er gekonnt wechselt. Nach der kurzen Pause wartet das Publikum gespannt auf die groß angekündigte Überraschung. Das Licht geht aus und fünf Minuten passiert erst einmal nichts. Da fragt man sich, ob das nicht die große Überraschung sein soll, dass der Autor gar nicht zum zweiten Teil erscheint. Heinz Strunk wäre es zuzutrauen. Dann aber hört man schnelle Schritte und Strunk taucht hinter dem Vorhang auf: mit einer Klarinette in der Hand. Und er spielt ein Reggaestück, das zumindest ansatzweise nach Afrika klingt: „Gimme hope Jo’anna“.Josefine Schummeck
Josefine Schummeck
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