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Kultur: „Sonnen- finsternis auf dem Berg“

György Konrad las im Literaturladen Wist

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György Konrad las im Literaturladen Wist Dieser Abend zog sich. Schwerfällig wie die müden Schritte eines alten Mannes durchmaß György Konrád am Mittwoch vor knapp 20 Gästen im Literaturladen Wist den Text aus seinem noch unveröffentlichten Roman „Sonnenfinsternis auf dem Berg“. Mit tiefer und lakonisch-monotoner Stimme arbeitete er sich durch die Außenbezirke von Budapest. Irgendwann, Anfang der 60er Jahre, als Konrád als Jugendschutzinspektor für eine Vormundschaftsbehörde von Haustür zu Haustür zog und fast nur in familiäre Abgründe blickte. Von Schicksal zu Schicksal geht er und notiert mit kalt-distanzierter Sprache was in diesem Vorhof der Hölle passiert. Wie schon sein letzter Roman „Glück“ ist auch „Sonnenfinsternis auf dem Berg“, die Veröffentlichung im Suhrkamp-Verlag ist für das kommende Frühjahr geplant, ein Rückblick des mittlerweile 71-Jährigen auf das eigene Leben. In Ungarn geboren entging der elfjährige Konrád und seine jüdische Familie im Zweiten Weltkrieg nur knapp der NS-Vernichtungsmaschienerie. Später das Studium in Budapest, verschiedene Arbeitsstellen und das Schreiben. Die Welt verstehen wollen, wie Konrád sagt, das sei seine Philosophie. Und so blickte er damals schon mit skeptischen Blicken auf das, was um ihn herum geschah. Als herausragender politischer Essayist und Schriftsteller machte er sich spätestens in den 70er Jahren auch in Deutschland einen Namen. Verschiedenen Stipendien und von 1997 bis 2003 der Vorsitz der Akademie der Künste in Berlin verbinden ihn heute stark mit dem Land, aus dem einst die Mörder kamen, die ihn und seine Familie töten wollten. Mit einer nur schwer zu ertragenen, fast schon sachlichen Distanz, die auch Imre Kertész in seinem „Roman eines Schicksallosen“ wählte, erzählt Konrád in „Glück“ von diesem massenmordenden Wahnsinn. Und auch in seinem neuen Roman bleibt er dieser kühlen Sprache, der man sich nur schwer entziehen kann treu. Wie Aktenvermerke flickt Konrád in „Sonnenfinsternis auf dem Berg“ die Einzelschicksale zusammen und findet hier, wie in seinem Debütroman „Der Besucher“, wieder zurück zu seinem großen Thema: Das Scheitern des Individuums in und an der Gesellschaft. Konrád quält sich durch diese trostlose Stadt Budapest, in die er als Junge vom Lande mit so großen Erwartungen kam. Noch immer hält er „Maulaffen feil“, doch die Illusionen sind verflogen. Nicht seine Füße, sondern seine Hosenbeine tragen ihn durch sein Tagwerk, während er beobachten muss, wie ihn die Oberflächlichkeit seiner Arbeit immer mehr „verkrustet“. Es war nicht immer leicht György Konráds Stimme und seiner Geschichte zu folgen. Und es war auch nicht leicht, seinen abschweifenden, Haken schlagenden Ausführungen im anschließenden Gespräch zu folgen. Doch Konrád ist ein Mann der etwas zu erzählen hat und auch erzählen kann. Und da nimmt man ein paar Umwege und Schwerfälligkeiten gern in Kauf.Dirk Becker

Dirk Becker

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