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Über 35 Spielzeiten beim Hans Otto Theater. Die Sopranistin Ute Reinsch galt als Star am Potsdamer Opernhimmel.

© Andreas Klaer

Kultur: Sopran mit Wärme und Poesie

Die Potsdamer Sängerin feiert heute ihren 80. Geburtstag / Erinnerung an große Musiktheaterabende

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Kurz nach der Eröffnung des neuen Theaters am Tiefen See vor gut fünf Jahren gab es eine Matinee-Reihe. Aufzeichnungen des DDR-Fernsehens von erfolgreichen Aufführungen des Hans Otto Theaters der 70er und 80er Jahre wurden vorgestellt. Viele Zuschauer erinnerten sich an unvergessliche Schauspiel-Inszenierungen oder erfuhren erstmals, dass auch in Potsdam zu DDR-Zeiten hervorragendes Theater gemacht wurde.

Im Musiktheaterbereich war die Film-Auswahl für die Matineen leider geringer. Man zeigte beispielsweise Mozarts „Der Schauspieldirektor“ in einer Inszenierung des Fernsehregisseurs Georg Mielke aus dem Jahre 1973 im Schlosstheater im Neuen Palais. Die Zuschauer waren begeistert, vor allem von den Sängerinnen Renate Loeper und Ute Reinsch, die ihre heiklen Sopranpartien mit Bravour meisterten. Der Film erzählte auch davon, welch ein hervorragendes Musiktheaterensemble Potsdam besaß.

Mozarts Opern begleiteten Ute Reinsch, die am heutigen Donnerstag in Potsdam ihren 80. Geburtstag feiert, ihr ganzes Berufsleben. Sie gehören für Sänger zum Anspruchsvollsten überhaupt. Die Partien verlangen eine technisch hervorragend, mit instrumentaler Präzision geführte Stimme.

Ihre Liebe zum Gesang entdeckte sie im Elternhaus. Sie wuchs in der Stadt Neiße in Schlesien auf. Der Zweite Weltkrieg zwang sie und ihre Eltern, die Heimat zu verlassen. In Mecklenburg fand die Familie eine neue Bleibe. Der Vater, ein Volksschullehrer, war sehr musikalisch. „Ich erinnere mich, dass ein Bauer uns ein Klavier zur Verfügung stellte, das mein Vater ja sehr gut beherrschte. Wir haben gemeinsam viele Lieder, vor allem die von Franz Schubert, erarbeitet. Er hatte mir damals schon gesagt, ich solle nicht nur die Töne gut und richtig singen, sondern versuchen, ihren Inhalt nachzuspüren. Daran habe ich mich immer gehalten“, erzählt Ute Reinsch. Sie begann ein Studium an der Musikhochschule Weimar bei der legendären Altistin Helene Jung. Nach dem Examen ging Ute Reinsch zunächst nach Zittau und Lutherstadt Wittenberg. 1958 wird sie Mitglied des Tournee-Ensembles am Hans Otto Theater. Mit ihm tourt sie durch Dörfer und Kleinstädte der Mark.

Nach zwei Spielzeiten bat sie Intendant Gerhard Meyer, ob sie für eine ausgefallene Kollegin die Hosenrolle des Cherubino in „Die Hochzeit des Figaro“ von Mozart übernehmen würde. „Mit Freuden sagte ich zu. Es war ja mein Wunsch, eines Tages im festen Haus in der Zimmerstraße singen zu dürfen“, berichtet Ute Reinsch. Sofort überzeugte sie stimmlich und darstellerisch das Publikum sowie die Leitung des Theaters. Und so ging es nach dem „Figaro“ für sie bergan. Es folgten Partie auf Partie. Mozarts innig blühendes Melos der Pamina in der „Zauberflöte“ oder der Fiordiligi in „Cosi fan tutte“ wusste die Sopranistin mit ihrer klaren Stimme, in der sich Wärme und Poesie vereinten, zum Tragen zu bringen. Dann war sie eine wunderbare Gräfin Almaviva in der „Hochzeit des Figaro“ und die Donna Elvira in „Don Giovanni“. Beide Partien hat sie unendlich viele Male in den Regie-Interpretationen Peter Brähmigs in Sanssoucis Schlosstheater gespielt. Ab den 70er Jahren war das Potsdamer Musiktheaterensemble mit seinen Mozart-Inszenierungen im Neuen Palais beheimatet.

Natürlich war der glanzvolle und historische Rahmen des Schlosstheaters immer ein optisches Fest nicht nur für die Zuschauer, sondern für alle Mitwirkenden auf der Bühne und im Orchestergraben. Und doch war das Interimstheater in der Zimmerstraße die künstlerische Heimat auch von Ute Reinsch, obwohl sich die räumlichen und akustischen Bedingungen in dem einstigen Gasthaus „Zum Alten Fritz“, das man Ende der 40er Jahre zum Theater umgebaut hatte, nicht als ideal erwiesen. Hier arbeitete sie mit Dirigenten wie Gert Bahner, Günter Herbig, Peter Gülke, Hans-Dieter Baum oder Ronald Reuter, Regisseuren wie Horst Bonnet, Gerhard Meyer oder Wilfried Serauky zusammen, die ihr stimmliches und darstellerisches Talent erkannten und förderten. Ute Reinsch, die zum lyrisch-dramatischen Fach tendierte, scheute keine Arbeit. „Bis zu fünf Partien habe ich in einer Spielzeit gesungen. Das fand ich nie anstrengend, weil mir das Singen und das Gestalten von Opern- und Operettenrollen immer große Freude bereiteten“, so die Sopranistin, die mehr als 35 Spielzeiten auf der Bühne des Hans Otto Theaters stand und viele Jahre als der Star am Potsdamer Opernhimmel galt. Doch Allürenhaftes war ihr nicht eigen. Mit dem Tenor Henno Garduhn, der nach einigen Jahren an die Deutsche Staatsoper Berlin wechselte, bildete sie in den 60ern das Theater-„Traumpaar“ in der Stadt.

Das Repertoire wuchs ständig. In Opern und Operetten von Richard Strauss, Prokofjew, Moniuszko, Janacek, Verdi, Puccini, Leoncavallo, Kalman oder auch Franz Schubert – in bekannten und selten aufgeführten Werken – war sie in Hauptpartien zu erleben. Am Ende ihrer Sängerlaufbahn Anfang der 90er Jahre hat sie 80 große und kleinere Rollen dargestellt, dazu gesellten sich etliche Oratorien. Mit der Ausstrahlung ihrer Stimme und ihres Spiels hat sie die Zuschauer begeistert. Und dafür ist sie, wie sie bekennt, sehr dankbar.

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