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Fast schon üblich. Applaus und Standing Ovations wie hier beim Konzert am Samstag mit Dominique Horwitz sind für Besucher des Nikolaisaals ein gewohnter Anblick.

©  Manfred Thomas

Kultur: „Sorgenkind sind die Musikfestspiele“

Andrea Palent über wiederkehrende finanzielle Probleme und neue Ideen der Nikolaisaal GmbH

Stand:

Frau Palent, der Saisonstart im Nikolaisaal am Wochenende war ein gelungenes Konzerterlebnis. So wie man es seit Jahren vom Nikolaisaal kennt. Trotzdem hatten Sie in der vergangenen Saison wieder einmal um die Finanzierung zu kämpfen.

Das war ein wirklich wunderbarer Auftakt in die Konzertsaison 2013/2014 und das bei sommerlichen Temperaturen. Das hat die Mitarbeiter und Künstler besonders beflügelt. Ja, der finanzielle Mehrbedarf, von dem wir schon seit Jahren reden, war in den Haushaltsplanungen leider nicht berücksichtigt worden. Und das, obwohl wir im Vorfeld immer wieder Gespräche mit der öffentlichen Hand geführt hatten. Dabei geht es aber bedauerlicherweise nicht um Geld, das in den künstlerischen Bereich geht. Es geht nur darum, den Status quo für unsere GmbH zu halten.

Wie sieht es mit alternativen Finanzierungsmodellen aus?

Die haben wir aus unserer Sicht, auch was die Erwirtschaftung von Eigenmitteln betrifft, schon maximal ausgeschöpft. Das betrifft sowohl die Höhe der Eintrittsgelder, den Auslastungsgrad der Konzerte als auch die Anzahl an Vermietungen im Nikolaisaal. Wir können keine weiteren Gelder aus unserer Arbeit heraus einnehmen. Höchstens noch über Drittmittel, daran arbeitet die Prokuristin der GmbH mit großer Anstrengung.

Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

Ich bin sehr dankbar, dass die Landeshauptstadt Potsdam durch politische Mediation der notwendigen Erhöhung für 2013 und 2014 Rechnung getragen und damit auch die Arbeit unserer GmbH eine erhebliche kulturpolitische Anerkennung gefunden hat. Mein Sorgenkind sind die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt haben und dabei hohe internationale Wertschätzung erfahren. Gleichzeitig bedeutet diese gewachsene Reputation, dass entsprechende Erwartungen an unser Programm gerichtet sind. Man erwartet von uns einfach Spitzenleistungen. Es hat sich in der Vergangenheit aber gezeigt, dass wir erheblichen finanziellen Mehrbedarf bei den Produktionen hatten und damit auch mit erheblichen Mehrausgaben kämpfen.

Um wie viel Geld geht es dabei?

Es geht um zirka 100 000 Euro für künstlerische Projekte der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, denn auch Technik, Bühnenausstattung und Werbung, all das ist in den vergangenen Jahren viel teurer geworden. Ich würde mir sehr wünschen, im kommenden Jahr, wo wir 60 Jahre Festspiele in Sanssouci feiern, dass auch das Land Brandenburg nach zehn Jahren gleichbleibender Förderung über eine Erhöhung seiner Förderung der Musikfestspiele nachdenkt.

Für die Jubiläumsfestspiele müssen Sie mit dem Schlosstheater auf einen besonderen Spielort verzichten, weil das Neue Palais saniert wird. Was heißt das für Sie?

Mit dem Schlosstheater hatten wir eine kleine Bühne und einen entsprechenden Aufwand. In Potsdam gibt es aber kein zweites Schlosstheater. Also was tue ich jetzt? Ich mache mich jetzt gemeinsam mit dem Dramaturgen der Festspiele, Jelle Dierickx, auf den Weg und suche nach Alternativen.

Im kommenden Jahr heißen die Alternativen Hans Otto Theater und Orangerie Sanssouci.

Beides Orte mit viel größeren Dimensionen. Da steigen automatisch die Kosten. Bei der Orangerie kommt hinzu, dass dort keinerlei Infrastruktur ist. Um die zu schaffen, müssen wir Geld in die Hand nehmen. Gleichzeitig müssen wir bedenken, dass die Opern der Musikfestspiele im Schlosstheater ein sehr hohes Renommee hatten und ein entsprechend internationales Publikum nach Potsdam holten. Daran werden wir auch in Zukunft gemessen. Das ist also auch eine inhaltliche Herausforderung.

Trotz dieser Schwierigkeiten überraschen Sie immer wieder mit neuen Ideen. So gehen Sie am kommenden Samstag im Rahmen der Reihe „Alles Beethoven! mit Beethovens Klaviersonaten in die Stadt“. Ist das als einmalige Aktion geplant oder soll das Format mit gewisser Regelmäßigkeit stattfinden?

Ich bin der Meinung, dass wir nach zwölf Jahren Nikolaisaal auch mal zu den Menschen hingehen sollten. Den Anfang machen wir mit „Das mobile Konzerthaus. Mit Beethoven unterwegs in Potsdam“. Aber ich wünsche mir, dass wir diese Idee in den kommenden Jahren weiterentwickeln, denn es gibt so viele interessante Orte in dieser Stadt. So können wir uns regelmäßig als Konzerthaus öffnen und zu den Menschen gehen, die nicht so selbstverständlich zu uns kommen können.

Sie gehen nach draußen, um ein neues Publikum zu gewinnen?

Nein, der Hauptansatz zumindest in diesem Jahr besteht für uns darin, dass wir zu den Leuten gehen, die einfach nicht mehr zu uns kommen können. Darum geben wir ein Konzert im Seniorenzentrum „Emmaus-Haus“ und ein weiteres im Ernst-von-Bergmann-Klinikum. Gleichzeitig geht es mir aber auch um eine Vermischung des Publikums und den Abbau von Barrieren und Hemmungen. Da ist das Konzert im Krankenhaus für uns natürlich die größte Herausforderung.

Sie lassen aber auch Beethovens Mondscheinsonate im Lichthof im Karstadt-Kaufhaus spielen.

Da gehen wir an einen Ort, der für ein solches Konzert gar nicht gedacht wurde. Das ist dann auch eine Art Event und gleichzeitig für uns ein Experimen t, mit dem wir auf uns aufmerksam machen wollen und vielleicht sogar das Interesse bei neuen Zuschauern wecken.

Das ist ja auch eine Art, um Barrieren zu überwinden. Wie ein weiteres neues Projekt, die Arbeit mit Ohrphonen. Also Audioguides, über die während der Probe oder eines Konzerts das Hören von Musik live kommentiert wird.

Dank der Förderung des Landes Brandenburg gibt es seit der letzten Saison eine Testphase zusammen mit der Kammerakademie Potsdam und der Universität Potsdam, in der das mittels Ohrphon begleitete Hören vielfältig und erstmals erprobt wird: vom Probenbesuch einer Opernprobe für Erwachsene bis zum Orchesterprobenbesuch für Schüler. Auch die Saison 2013/2014 im Nikolaisaal bietet dazu viel Neues. Die Konzertbesucher können so zum Beispiel ab sofort „mit dem Kritiker ins Konzert“ gehen und über Ohrphon gleich im Anschluss an das Konzert ihre persönliche Livekritik hören. Oder sie laufen kommendes Wochenende „Mit Beethovens Ohren“ auf dem Hörspaziergang durch Potsdams Innenstadt.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Das mobile Konzerthaus. Mit Beethoven unterwegs in Potsdam“ am Samstag, dem 31. August, ab 14.30 Uhr. Erstes Konzert mit dem Ohrphon am Sonntag, dem 1. September, beim Auftritt von Tzimon Barto um 20 Uhr im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Weitere Informationen unter www.nikolaisaal.de

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