Kultur: Spanischer Zuckerguss
Mit Karamelo Santo und Big Mandrake zur Ska-Fiesta im Lindenpark
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Wer Spanisch sprach, war diesmal im Lindenpark klar im Vorteil. Denn die Jungs der beiden Bands, die aus dem Abend die angekündigte „Los Fabulosos Fiestas“ machten, nahmen es mit der Sprachgrenze nicht so genau. Der schnelle Singsang, exotischer Wohlklang mit einem Hauch Urlaubsanleihe, war wie der Zuckerguss, der das Konzert zusammenhielt und allem eine leckere Kruste verlieh.
Die Punk-Ska-Rock-Bands Karamelo Santo aus Argentinien und Big Mandrake aus Venezuela machten auf ihrer Europatournee kurz vor Antritt der Heimreise am Samstag in Potsdam Halt. Beide sind schon lange im Musikgeschäft unterwegs, in ihren Heimatländern und international. Das ist an diesem Abend auch der Musik anzuhören, ein Stilmix, in dem sich alles findet, was irgendwie mit Ska musikalisch verbandelt werden konnte, von Rock bis Reggae, Punk und Party. Acht bis zehn Mann je Band auf der Bühne sind dabei das Minimum, Gitarren, Bläser, ein stetig schiebender Trommler und Bassist. Vielleicht ist es die Musik, vielleicht die Mentalität der Leute: Nie steht einer auch nur drei Sekunden am selben Platz, die Jungs mit ihren Instrumenten sind wie ruhelose Wahnsinnige. Manchmal wechseln sie mitten im Song die Instrumente, dann sitzt plötzlich der Sänger hinterm Schlagzeug und der Trommler singt den Titel zu Ende. Es ist eine wilde Show, sie springen, recken die Fäuste in den Nachthimmel und kommandieren, auf Spanisch, das Publikum rum: Nach vorn sollen die Leute kommen, sich setzen oder aufspringen – und alle tun es. Die Leidenschaft der Musiker ist ansteckend, und manchmal ist nicht ganz klar – spielen sie für das Publikum oder für sich selbst? Da stehen junge Kerle und gestandene Männer, mit Vollbärten und nacktem Oberkörper, massige Kerle oder klein mit Hut, und lassen die Sau raus. Sie tragen Zylinder oder Grubenlampen am Kopf, das sieht irre aus, das ist nonkonform, das ist Ska, das ist offbeat.
Nach über einer Stunde Freakshow vom heiligen Bonbon – Karamelo Santo – wird es schummrig draußen unter den hohen Bäumen, in denen sich die Lichtshow reflektiert. Die sieben Argentinier übergeben die Fiesta-Stimmung an ihre Kollegen von Big Mandrake, die nach der wohl kürzesten Umbaupause in der Geschichte des Lindenpark weiterstampfen. Hier wird nicht pingelig jeder Stecker doppelt gecheckt, sondern unkompliziert weitergejammt. Notfalls stehen die Kollegen gleich hinter der Bühne, um auszuhelfen oder mitzumachen. Wer hier zu welcher Band gehört und wo ausgeborgt ist – das ist am Ende auch egal. Schade nur, dass die meisten Songs in Spanisch gesungen werden – der Inhalt der teils gesellschaftlich-politischen Texte bleibt also ein Geheimnis. Dabei hätte man zu gern gewusst, was die Verrückten zu sagen haben. Vielleicht ist das ja Motivation für einen Spanischkurs. Steffi Pyanoe
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