Kultur: Spannende Gesichter, gesichtslose Architektur
„Mit den Augen des Anderen“ – der Potsdamer Fotograf Klaus-Dieter Fahlbusch schaute auf Jyväskylä
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„Mit den Augen des Anderen“ – der Potsdamer Fotograf Klaus-Dieter Fahlbusch schaute auf Jyväskylä Jyväskylä ist eine Stadt aus Beton und liegt am Wasser. Sie hat ein modernes Industriedesign und einen sehr weiten Horizont. Das erzählen die ersten Fotos der Ausstellung „Mit den Augen des Anderen“ von Klaus-Dieter Fahlbusch, die derzeit im Alten Rathaus zu sehen ist. Jyväsyklä ist keine Stadt, die sich einprägt – jedenfalls nicht wie hier aus „zweiter Hand“. Sie wirkt gesichts- und geschichtslos – ohne besondere Aura. Keine Stadt, in die man sofort reisen möchte. Den Aufnahmen von der städtischen Architektur der 70er Jahre hängen Landschaften aus Mittelfinnland gegenüber: Hier findet man sich in seinen landläufigen Vorstellungen wieder: einsame Seen mit malerischen Inseln, abgeerntete weite Felder mit tanzenden „Puppen“ aus Stroh, wie man sie ähnlich aus dem Spreewald kennt. Jetzt tauchen auch Menschen auf: Nach dem Saunen, beim Baden, beim Paddeln, beim traditionellen Waschen von Teppichen im Fluss. Die Fotos gewinnen an Kraft, sprechen die Sprache des Augenblicks, geben sich authentisch. Der zweite Raum ist dann ganz auf Menschen fixiert: Wir schauen zur Eröffnung eines Kulturfestivals in die voll besetzte Kirche Taulimäki, wobei etwas unmotiviert die letzten hereinströmenden Besucher verwischt sind. Es gibt die Ausstellungsbesucherin mit dem Blümchenhut, Alkoholiker auf der Parkbank, den rasanten Skater. Auch drei pubertäre Mädchen hielt der Fotograf ganz unverfälscht in einem Schnappschuss fest. Es sind sehr verschiedene Charaktere, die sich hier die Hand geben: selbstbewusst und provozierend, schüchtern-verschämt, abgewrackt, gestrauchelt, kokett und couragiert. Menschen, wie wir sie kennen, wie sie uns auch in unserem Alltag begegnen. Auch der Hauptplatz Jyväskyläs erinnert in seiner Frequentierung an Potsdams Brandenburger Straße: am Tage von den Einkaufslustigen bevölkert, am Abend trostlos und verwaist. In einem Park am See aalen sich wiederum Menschen auf ihren Decken, und man glaubt den Heiligen See zu riechen. Entlassen wird der Ausstellungsbesucher mit dem „Finnischen Traum 2005“. Hier reihen sich nette Holzhäuser – eingetaucht im warmen bräunlich-gelben Licht – gemütlich aneinander, ein Dampfschiff liegt vertrauensselig vor Anker. Das Ganze wirkt wie eine Filmkulisse, unterlegt mit einer melancholischen Melodie. Auch diese Traumwelt reibt sich an ihrem Gegenüber – der realen Welt. Und da sind wir wieder bei den nüchternen Stahl-Glas-Fassaden mit den wenigen Backsteinsprengseln, eine beliebige Architektur, wie sie es überall gibt: auch in Potsdams Neubaugebieten. Nur die Namenszüge zeigen: Hier ist Jyväskylä – Potsdams Partnerstadt. Zehn Tage war der Potsdamer Klaus-Dieter Fahlbusch „Mit den Augen des Anderen“ in der mittelfinnischen Stadt unterwegs, um dem 20-jährigen Jubiläum dieser Partnerschaft Kontur zu geben. So wie auch der finnische Fotograf Kapa in Potsdam Umschau hielt und seine Impressionen in Jyväskylä präsentierte. Die rund 60 großformatigen Fotos und Panoramaaufnahmen im Alten Rathaus sind keine blauäugige Liebeserklärung, und dennoch mit Herzblut gemacht. Sie sind Ernüchterung und Hommage zugleich. Bei aller Distanz zu einer Distanz atmenden Architektur, leben in ihr Menschen, die neugierig machen. Ebenso wie die Landschaft. Insofern ist Jyväskylä vielleicht doch eine Reise wert.Heidi Jäger Zu sehen bis 13. November, täglich außer montags, von 10 bis 18 Uhr.
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