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Kultur: Späte Entdeckung

Fünf Jahre nach seinem Tod fand Barbara Wegener nie gesehene Aquarelle ihres Mannes, des Malers Wolfgang Wegener

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Im Nedlitzer Atelier von Wolfgang Wegener ist es trotz wärmender Sonnenstrahlen kühl; auch die Heizung im Raum kann das Wohlgefühl des Besuchers nicht hervorrufen, der hier den Künstler bei seinen Bildern erlebt hat und nun ohne ihn auskommen muss. Schon sind fünf Jahre vergangen, seit der Maler überraschend und viel zu früh für alle, die ihn kannten, diese Welt verlassen hat. In fast fünfzig Jahren hat Wolfgang Wegener (25. Juni 1933 bis 30. Juli 2002) ein umfangreiches viel beachtetes Werk geschaffen, das in Museen, in anderen öffentlichen Sammlungen sowie in Privatbesitz und in der Familie aufbewahrt wird. Waltraud Wegener ist als Kunsthistorikerin nun dabei, das Werk ihres Mannes zu sichten und aufzunehmen.

Mancher Potsdamer und Berliner Kunstfreund erinnert sich wohl noch an die letzten umfangreichen Ausstellungen seiner Arbeiten – die Schau im Rheinsberger Schloss im Frühjahr 2002, die Ausstellung in der Kirche am Hohenzollernplatz Berlin im gleichen Jahr, schließlich die Retrospektive im Potsdamer Alten Rathaus, ein Jahr nach seinem Tod.

Über viele Jahre hat Wolfgang Wegener vor allem die heimatliche Landschaft erkundet, tief verinnerlicht und immer neu seine Sicht formuliert. Im Laufe der Zeit wandelte sich die feste Struktur der Teile im Bild mit kräftigen Lokalfarben und ohne tonige Angleichung in eine farbige wie formale Gesamtstimmung, die bis zur Auflösung ins nur Atmosphärische gesteigert werden konnte. Allein an den Ansichten vom Atelier und vom umgebenden Garten mit Blick auf den Weißen See – die vertraute Situation hat Wolfgang Wegener über viele Jahre gemalt – wird die veränderte Auffassung deutlich.

Der gebürtige Mecklenburger ging von Anfang an besonnen ans Werk. Alles Zufällige, aber auch alles von Willkür Bestimmte war seinem Wesen ebenso fremd wie laute und spektakuläre Äußerungen. Wie hätte es in seine Bilder geraten können? Im Gespräch über abgeschlossene und neue Vorhaben äußerte er sich auf seine kluge zurückhaltende Weise zu den Erfahrungen mit Landschaft und Menschen, die ihn letztendlich zu den jeweiligen Bildern anregten.

Auf Reisen in ferne Länder (Mongolei, Russland, Sibirien, USA) und innerhalb Europas (Spanien, Italien) konnte er aus der Nahsicht auf die entsprechende Landschaft typische Wesensmerkmale auf die Leinwand bannen. Das zentralasiatische Hochland, eingefasst von zahlreichen Gebirgen, faszinierte ihn in seiner Gliederung und besonderen Gestalt, auch beim Überfliegen. Die Farben der Wüste leuchten im „Flug über die Gobi“ (1980, Potsdam-Museum) vom Weiß einiger Wolken über Ockertöne bis zu vielfach gebrochenem Umbra. In der unendlichen Wüste deuten kleine helle Punkte im Bildvordergrund die Jurten der Nomaden an, die der Schatten des Fliegers am unteren Bildrand fast streift.

Wolfgang Wegener ist immer mit einem handlichen Skizzenbuch unterwegs gewesen und hat im kleinen Format Bildausschnitte fixiert, Farben am Rand notiert. Seine Skizzenbücher hat er gern gezeigt, um dem Betrachter die Besonderheit einer Situation zu erläutern. Nie jedoch war bisher ein Aquarell von ihm zum Vorschein gekommen. Waltraud Wegener hat eine ganze Reihe erstaunlicher Beispiele gefunden, die frühesten stammen noch aus der Zeit vor seinen Hochschulstudien in Leipzig und Dresden; die letzten sind in den neunziger Jahren entstanden. Sie sind eine Entdeckung und komplettieren die rasche Bleistift- oder Farbstiftskizze vor Ort, das im Atelier entstandene Bild und die gelegentliche Radierung auf besondere Weise.

Reizvoll malerisch z. B. der Blick auf die vertraute mecklenburgische Heimatstadt Teterow aus den fünfziger Jahren; dicht gedrängte Häuser fügen sich wie zu einer Stadtmauer zusammen. Im Ziegelrot ihrer Satteldächer scheint die Farbe des Backsteins von Kirche und Stadttoren aus dem Mittelalter reflektiert zu sein.

Von besonderer Struktur und Farbigkeit sind wiederum die kleinformatigen Aquarelle, die während der Reise in die Mongolei 1979entstanden. Mit wenigen Pinselstrichen werden Landschaftsräume von gewaltigen Dimensionen im Wechsel von Ebene und fernen Gebirgszügen festgehalten. Das jeweilige Licht lässt Schlüsse auf Tages- und Jahreszeit zu, die Vegetation fasziniert in ihrer Fremdartigkeit. Heiter-südländisches Flair atmen die Blätter von der Spanienreise 1982: Wege durch Olivenhaine, dicht mit Ölbäumen bestandene Anhöhen oder der Golf von Cadiz in den schillernden Farben des Südens.

Schließlich fanden sich in den Mappen auch stille Rügenlandschaften, Sonnenuntergänge am Meer und immer wieder der Garten in Nedlitz aus den letzten Schaffensjahren. Morgendlich-klares Licht breitet sich über ihm aus, aufziehende Wolken überschatten das satte Grün – immer wieder andere Momente und Stimmungen. Ein geheimnisvolles „Abendlicht“ stellt nicht mehr die Frage nach dem tatsächlichen Ort, sondern führt den Betrachter aus der Dunkelheit von Bäumen und Büschen in ein leuchtendes Zentrum.

Manches Blatt diente als Vorlage für ein Ölbild; in ihrer Gesamtheit liegen mit den Aquarellen Wolfgang Wegeners Beispiele seiner expliziten Erfassung landschaftlicher Situationen vor, die in ihrer Unmittelbarkeit und Leichtigkeit sein Werk überraschend ergänzen und bereichern.

Renate Bergerhoff

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