Kultur: Spektakulär und lyrisch
Hip-Hop aus Japan in einem Doppelprojekt in der „fabrik“: mit KENTARO!! solo und in Companie
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Während andere Hip-Hopper ihre Coolness wie eine Fahne vor sich her tragen, wirkt Kentaro fast in sich gekehrt. Mit leiser Stimme beantwortet er brav die Fragen. Mal ein kurzes Lächeln, ansonsten unterstreichen allein die Hände mit sanftem Schwung die wohl überlegten Worte, während er in der „fabrik“-Küche seinen grünen Tee trinkt. Nur die blond gefärbten Strähnchen im dunklen kurzen Haar und das freche rote T-Shirt mit dem Aufdruck „Hands up!!“ und einer kindlichen Figur, die eine Pistole trägt, lassen etwas von der jugendlichen Rebellion spüren, von der dieser Tanz der Straße erzählt. Kentaro ist der einzige Tänzer in Japan, der den Hip-Hop auch ins Theater bringt. Zur eigenen Musik und mit Bewegungen, die stark vom Alltag inspiriert sind.
Die Ankündigung der „fabrik“ lässt ahnen, dass in diesem ruhigen konzentrierten Mann viel mehr steckt, als der erste Blick weismachen will. „KENTARO!!“ - wie er sich als Künstler richtig nennt– macht seinem Namen alle Ehre: „Die großen Buchstaben und die zwei Ausrufezeichen passen wie angegossen auf den jungen Hip-Hop-Tänzer, der vor Energie sprüht und ein einziger Bewegungsfluss zu sein scheint. Als ob sein Leben davon abhängen würde, ist er ständig am Tanzen – mit einer Spontanität, Vielfalt und Inbrunst ohnegleichen“, ist im Werbetext zu lesen. Und seine Karriere unterstreicht beredt diese anerkennenden Worte. Die ersten künstlerischen Schritte ging der 31-Jährige, der 2008 bei dem internationalen Tanzwettbewerb Yokohama-Dance-Collection den ersten Preis gewann, vor dem Fernseher. Er war zehn, als er die Tanzsendungen des japanischen Moderators und populären Comedians Takeshi Kitano sah. Mit 13 hielt ihn nichts mehr im heimischen Wohnzimmer. Er ging in ein Studio und mit 18 verdiente er bereits sein Geld mit kleinen Acts in Klubs: mal vor 200, mal vor 1000 Leuten. Hip-Hop sei in Japan sehr verbreitet, erzählt er. Viele möchten ihn tanzen. Man sieht gut aus, begeistert die Massen und braucht nicht viel Platz, ihn zu erlernen. „Meine Mutter, bei der ich aufgewachsen bin, hat mich beim Tanzen immer unterstützt. Mein Vater hätte es indes lieber gesehen, wenn ich nach dem Abitur an die Universität gegangen wäre.“ Doch Kentaro ging zielstrebig seinen eigenen Weg. Als ihm die kurzen Tanzeinlagen in den Klubs von Tokio nicht mehr reichten, auch wenn sie gutes Geld einbrachten, schaute er sich in Theatern um und entwickelte schließlich ein eigenes abendfüllendes Solo. Und er gewann mit diesem Debüt prompt den 1. Preis in Yokohama und zudem ein Stipendium, das ihn nach Paris führte. „Ich glaube, ich habe dort in vier Monaten vierzig Stücke gesehen. Und darunter ganz viele, in denen überhaupt niemand getanzt hat“, sagt er nun doch lachend. Das habe ihn damals fast verstört und neurotisch gemacht. Aber es habe ihn auch beeinflusst, genau auf Bewegungen zu schauen.
„Kentaro hat eine sehr persönliche Bewegungssprache“, sagt Sven Till, der künstlerische Leiter der „fabrik“, der den Gast bislang zwar nur vom Video kennt, aber schon jetzt sehr angetan ist. „Er scheut sich nicht, neben den spektakulären Hip-Hop-Elementen sehr lyrische Momente im weichen Fluss auf die Bühne zu bringen. Das hat eine intime persönliche Qualität“, so Sven Till.
Inzwischen arbeitet Kentaro nicht nur solistisch, sondern hat seit drei Jahren auch eine eigene Company. So wird er auch heute Abend in der „fabrik“-Reihe „Meisterchoreografen“ nicht nur mit einer Selbstbespiegelung aufwarten, sondern auch mit sechs weiteren Tänzern dem Hip-Hop huldigen. Sein Solo sei eine Befragung nach dem eigenen Weg und wie man von außen wahrgenommen wird. „Eine Art, auf das Schicksal zu schauen“ ist die Überschrift zu diesem Tanz mit einer besonderen Spiritualität, die zu Kentaros Markenzeichen geworden ist. Das anschließende Gruppenstück ist speziell für diese Tournee entwickelt worden: Kentaros zweite durch Europa. Das Stück sei wie ein Anruf an ein höheres Wesen, das zugleich Gott und Monster sein kann. „Es ist getragen von der Sehnsucht, dass noch mehr kommt als wir jetzt erfahren“, sagt Kentaro. Dieses Gebet an das in Japan weit verbreitete und vielgesichtige Kuschelmonster, das niedlich ist, aber auch bösartig sein kann, habe vielleicht etwas mit den Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg zu tun, mit den Atombomben-Abwürfen. Eine gewisse Metaphorik, wie schnell Monster geboren werden können, ergänzt die Managerin Marie Takimoto.
Kentaros Vater ist inzwischen mit der Entwicklung seines Sohnes versöhnt. Er reist ihm sogar als „Groupie“ hinterher, war in Polen dabei und auch in Düsseldorf, sicher mit stolzgeschwellter Brust, während der Sohn sich weiter bescheiden gibt.
Kentaro wird am Samstag in der „fabrik“ bei einem offenen Hip-Hop-Battle, einem Wettstreit unter den Tänzern, auch als DJ zu erleben sein. „Ich bin aber nicht der namensgleiche berühmte DJ Kentaro. Mit ihm sollte man mich nicht verwechseln.“ Doch auch dieser feinsinnige, in sich ruhende „KENTARO!!“, kreiert gern Events, in denen er Tanz und Musik zusammenbringt und selbst Platten auflegt. Nun steht er gemeinsam mit KnickNack und einem dritten, noch unbenannten DJ an den Turntables. Und wird sicher weit mehr aus sich herauskommen als morgens in der Küche beim Tee.
Der Doppelabend ist zu sehen in der fabrik, Schiffbauergasse, am heutigen Donnerstag, dem 15. Dezember um 20 Uhr, sowie am 16. und 17. Dezember, jeweils 20 Uhr, und Sonntag, dem 18. Dezember, um 16 Uhr. Eintritt an der Abendkasse 12/ erm. 9 Euro, bis 16 Jahre 6 Euro. Vorverkaufsrabatt zwei Euro. Am Samstag gibt es um 21.30 Uhr, nach der Vorstellung, das Hip-Hop-Battle. Karten unter Tel. (0331)240923
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