Kultur: Spiel, Satz, Sieg, Vision
Interaktives Spiel von Angela Lubic im Brandenburgischen Kunstverein
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Interaktives Spiel von Angela Lubic im Brandenburgischen Kunstverein Dem Projektmanager Moritz van Dülmen seine Visionen von der Kulturhauptstadt Potsdam um die Ohren hauen, ihn zunächst mit einem unerreichbaren Überkopf-Lopp aus der Balance bringen und dann vielleicht mit ein, zwei gezielten Rückhand-Slices auf das Wortfeld „Luftschlösser“ festnageln, um der Enttäuschung über die missglückte Bewerbung mit einem tödlichen Top-Spin, der genau zwischen „wie“ und „Zukunft“ in Signalorange einschlägt, Nachdruck zu verleihen, so dass der umtriebige Netzwerker nur noch japsend nach Sauerstoff ringen kann – Träume wie dieser werden auf spielerische Art bis zum 27. Mai im Brandenburgischen Kunstverein im Luisenforum wahr. Dort fordert die Installation „Spiel: Visionen“ der Berliner Grafikerin und Künstlerin Angela Lubic – vormals als gefördertes Kunst-Projekt im Rahmen einer visionären Bewerbung um den Titel Kulturhauptstadt Europas gedacht – jedermann auf, zu einem der blauen Kunststoffschläger zu greifen, und seine persönlichen Träume und Visionen im Match gegen die Wand voran zu treiben. Die Halle des Kunstvereins wird zum Squash-Court, auf dem Ideen geschmiedet werden. Zum Aufwärmen soll der Spieler zunächst für drei Sekunden an die Zukunft denken, bevor er sich auf das Spielfeld stellt und die roten Bälle wild gegen die Wand zimmert. Die je nach Trainingsstand mal mehr, mal weniger große Zufälligkeit der Schläge auf die farbigen Wörter und Satzfetzen hilft bei der Formulierung. „Zielen sie auf die Wörter, die sie inspirierend oder ansprechend finden“, lautet die Anweisung. Auf der gekalkten Wand liest man zum Beispiel „Europa“, „vorausschauend“, „Zeit“, „wie“ und „wann“. Die Auswahl traf Lubic nach der Lektüre der Potsdamer Bewerbungsschrift „Insel der Visionen“ und einer Internet-Recherche zum Thema, die ausgewählten Begriffe sollen jedoch nur als Anregung dienen. Die gewählte Schriftart „unsteady oversteer“ und die grellen Leuchtfarben, so die Künstlerin, symbolisieren dabei Zukunft und Visionäres. Das Spielerische und Heitere in der Kunst durchzieht die Arbeiten von Angela Lubic, ein anderes Ballspiel von ihr setzte sich mit dem Thema der Künstlerförderung auseinander: „Mir geht es darum, dass man die Kunst anfassen kann, und dass es keine Berührungsängste gibt.“ Jeder, der im Luisenforum zum Schläger greift, erfährt sich als Teil der Installation, jedoch nicht statisch, er ist eingebunden in einen Prozess und Ablauf, dessen Ergebnis sich nicht vorherbestimmen lässt. Wer also für die Zukunft nach Ideen sucht, muss in Bewegung bleiben. Die auf diese Art erspielten oder erkämpften Formulierungen kann der Besucher auf einer Tafel festhalten oder sich mit dem visionärsten Einfall an einer Verlosung beteiligen. Zur Finissage am 27. Mai erhält der Gewinner einen von Angela Lubic von seiner Idee angefertigten Siebdruck. Lubic „Insel der Visionen“ scheint in seiner plakativen, simplen Gestaltung vielleicht sehr den Spaß zu betonen. Aber das Spiel ist immer auch eine Form Wirklichkeit zu simulieren, das Gedankenspiel geht häufig der tatsächlichen Handlung voraus. „Denk ich an Potsdam ...“ fordert dazu auf, in seine Vorstellungen von Zukunft Bewegung zu bringen und zeigt zugleich, dass es nicht ausreicht, sich ständig nur ewig bunte Bälle zuzuspielen. Dies kann auch als Kommentar zu den nach der gescheiterten Bewerbung um die Kulturhauptstadt noch verbleibenden Visionen in der Stadt gesehen werden. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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