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Kultur: Spielräume sind Fesseln

Die drohende Liquidation von Schloss Wiepersdorf vorerst abgewendet

Die drohende Liquidation von Schloss Wiepersdorf vorerst abgewendet Die gute Nachricht zuerst: Als am Dienstag die vorbereitete Diskussion um die Zukunft von Schloss Wiepersdorf im Foyer des Nikolaisaales anhub, war das Problem bereits erledigt: Bund und Land Brandenburg hatten sich geeinigt, das ehemalige Gut derer von Arnim in der jetzigen Form als Künstlerhaus auf drei Jahre weiterzuführen. Die drohende Liquidation des Gesamtanwesens, durch den Wegtritt der Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen/Anhalt aus der ostdeutschen Stiftung Kulturfond ausgelöst, ist vorerst abgewendet. Trotzdem ein Provisorium: Es dürfe jetzt „keinen Schieberamsch" mehr geben, eine „definitive Lösung" müsse her, so Hinrich Enderlein zu Beginn der ziemlich bewegten Debatte, einer Initiative der Konrad Naumann Stiftung. Unter der klugen Regie des Publizisten Friedrich Dieckmann war man auf Staatssekretärs-Ebene bereit, über den „Ausverkauf in der Mark" zu sprechen: Christoph Helm vertrat das hiesige Wissenschafts- und Kulturministerium, Wolfgang Böhm entsprechend Sachsen/Anhalt, Günter Winands, Ministerialdirigent bei der Beauftragten für Kultur und Medien, stand für den Bund, Dietger Pforte für die li-quide Stiftung Kulturfonds. Wollte man den gesamten Verlauf dieses hochinteressanten Ereignisses, zu dem wohl ganz „Wiepersdorf" erschien, mitteilen, so müssten wohl die Festen des Staates wackeln, der Föderalismus. Die Vorgänge um jenes Schloss, welches, seit 1992 aus den Hinterlassenschaften der DDR voll finanziert, zur Förderung junger Kunst in den Neuen Bundesländern (NBL) geschaffen wurde, sind für die allgemeine Zerrüttung exemplarisch: Obwohl alle Ministerpräsidenten das „Föderalismus-Papier“ unterschrieben, fachte man eine „Entflechtungsdebatte" an, die Böhm für eine „Westdebatte" hält: Die NBL seien da nicht involviert. Natürlich geht es ums Geld: 1994 gab es für die Stiftung Kulturfond eine neue gesetzliche Grundlage „mit eingebauter Sollbruchstelle", so Pforte. Danach konnte sich jedes Land aus der Stiftung zurück-, und sein Kapital mit abziehen. 1997 schritt Sachsen voran. Bei einem Gesamtvolumen von 92 Millionen, plus Immobilien, entstand ein Minus von 30 Millionen. Thüringen und Sachsen/Anhalt folgten. Damit war die Stiftung (und Wiepersdorf) pleite, denn wenn dreie gehen, ist sie automatisch kaputt. Wie Pforte das Debakel um den Kulturfonds für „nicht zufällig" hielt, so ist Wiepersdorf für Winand „sehenden Auges gemacht" worden – eine Art konzertierte Aktion: Kultur wird von der Politik für eigene Zwecke „instrumentalisiert", egal ob die Betroffenen dabei auf der Strecke bleiben. Mehr noch, man stellte eine allgemeine „Entsolidarisierung" der Länder zugunsten eigener Interessen (Böhm: kleinliches enges Länderdenken"/ Spiel-räume sind Fesseln") fest, wobei die Ministerpräsidenten nicht eben selten Fachminister des Bundes übervorteilen – Aushöhlung der ministeriellen Verantwortung auf Staatsebene also. Der Bund, nach Winand ohnehin nicht mehr als ein „Juniorpartner mit Gütesiegel“, wollte sowohl der Stiftung als auch in Einzelfällen helfen, scheiterte aber am Veto der Länder: Die wollen sein Geld und ihr Süppchen sonst alleine rühren. Für nationale Interessen in Sachen Kultur, für Enderlein gehört Wiepersdorf dazu, ist in der deutschen Kleinstaaterei kein Platz. Beim Geld hört alle Solidarität auf. Ost kriegt gegen West, Sachsen gegen McPomm, und die Teile sind mächtiger als der Gesamtcorpus. So die Situation im einig deutschen Vaterlande, aber vor 2006 ist in Sachen Stiftung ohnehin kein neuer Anlauf zu erwarten. Gerold Paul

Gerold Paul

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