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Kultur: Spirit in the Sky

Kindertheatergruppe TAIFUN führt „Hotel hinterm Fluss“ in der fabrik auf

Stand:

Kindertheatergruppe TAIFUN führt „Hotel hinterm Fluss“ in der fabrik auf Von Gerold Paul Ums Publikum muss sich die Potsdamer Regisseurin Ulrike Schlue nun wahrlich nicht sorgen. Zur Premiere ihrer Kindertheatergruppe SAMURAI im März platzte die „fabrik“ in der Schiffbauergasse fast aus den Nähten – am Samstag, zur zweiten Vorstellung der Eigenproduktion „Hotel hinterm Fluss“, ausgedacht und dargestellt von der Gruppe TAIFUN, war es nicht anders. Das Mädchen an der Kasse konnte ihre Karten gar nicht schnell genug verkaufen. Dichtes Gedränge. Es ging also später los, mit kleinen Kindern und – fabrik-Atmosphäre – auch mit Babys an Bord. Wie SAMURAI gerade eine „Zeitreise im Angesicht des Todes“ hinter sich gebracht hat, so war auch das neue Thema ganz ähnlich: Eine Gruppe verwöhnter Touristen trifft in einem Hotel ein, darunter ein eher blasser Schmetterlingsforscher mit seiner Frau (Adrian Dalichow, Emma Gräf), eine hosenbeanzugte Autorin (Antonia Christl) und ein Ex-Model mit schönheitschirurgischem Fehler an ihrer Lippe (Lea Brömsel), welchen die zufällig anwesende Ärztin (Paula Fürstenberg), sehr schüchtern und fast wie ein Hauch, leider, nicht heilen wollte. Alles fast wie paletti. Man parliert nicht ohne Gehässigkeit, erwartet federballspielend das Essen. Dienstbereit lächelnd und meist schweigsam, tippelt das Hotel-Personal mittenmang, ziemlich unheimlichen Geistes. Sylvia Heilgendorff, Stephan Pape und Jenny Bellmann haben sich für diese Produktion (Offener Kunstverein, fabrik) eine Extra-Klasse-Bühne ausgedacht. Hinter zwei hohen Vorhängen rechts und links erkennt man im Gegenlicht Schaukeln, darauf sich exotische Figuren schattenhaft wiegen. Vorn stehen Korbstühle für die Gäste bereit, hinten summt und pfeift sich das weiß gekleidete Küchenpersonal an einem Riesentisch so manches Ständchen. Üppige Klänge aus dem Off lassen Tropisches zwischen Afrika und Polynesien vermuten. Das ist das Hotel hinterm Fluss. Alles paletti? Nicht nur, dass sich das Personal (Kostüme Jeannette Liebich) an der Bagage der Gäste vergreift, dieselben entdecken plötzlich eine seltsame Welt: Keiner hat Hunger, und trotz dieser Hitze wird nicht geschwitzt. In höchst witzigen Szenen erklären Butler und Pagen den Grund: Der Urlaubstrip führte alle in ein Zwischenreich, jenseits des Lebens, hinter den Fluss. In die Unterwelt. Kurz ist die Reue, gering nur die Aussicht auf Hoffnung. Eine spiritistische Session macht den verkrachten Theologen Philip Baumgarten (problematische Szene) zwar zum Messias, doch bringt das der Gruppe keinen Erfolg. Auch die 1,5 Millionen der vornehmen Hotelbesitzerin (Rhea Germo) kann den unsichtbaren Tod nicht erweichen, die schnodderige Rock-Sängerin (Sophie Zellmann) hat genauso wenig eine Idee wie Christoph Kozik, der als „Reporter in Krisengebieten“ tödlich zwischen die Fronten geriet. Ist kein Ausweg, zurück? In der Spielleitung durch Ulrike Schlue und Nikki Bernstein ersteht eine oft gestisch-stumme Szenenfolge, darin es von phantastischen Einfällen nur so wimmelt. Die Ärztin beobachtet eine merkwürdige OP unter den Köchen da oben, doch als sie Zeugen holt, ist das Spukbild vorbei – folgenlos, wie andere Schlüsselszenen auch, die Segnung durch den „Messias“ etwa. Die jugendlichen Taifunier drängten zwar zur Darstellung, doch mangels Protagonisten steht man oft nur herum (Entree). So geht im viel zu einheitlichen Gruppenbild der dramatische Konflikt passé. Das Stück ist wie aus dem Passiv heraus inszeniert, wodurch Raum und Situationen oft nicht gruselig und präzise genug dargestellt werden können. Aber nach Goethe ist ja die Phantasie aller Dinge Meister, ihr Weben zwischen Leben und Tod und die offensichtliche Spiellaune des Teams wiegen Regieschwächen wieder auf. Model und Theologe haben zwar die überzeugendsten Szenen, die erlösende Idee aber kommt von der eher unscheinbaren Figur des Schmetterlingsmannes. Erfolgreich übt er die Wiedergeburt nach Art der Insekten-Metamorphose: Ein Sturm treibt alle, auch die es vielleicht nicht verdienen, vermutlich ins Leben, zurück. Es rieseln papierne Insektenkörper von der Decke - aus und Applaus. Der sofort einsetzende Song „Spirit in the Sky" bringt die Sache dann gedanklich auf den Punkt.

Gerold Paul

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