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Kultur: Spröde Schöne

„Duetti furiosi“ im Kammermusiksaal

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Die Neugier ist groß. Und so sitzen die Interessierten dicht bei dicht im Kammermusiksaal Havelschlösschen, in den der Klein-Glienicker Geigenbaumeister Tilman Muthesius für einen kleinen, aber feinen Hausmusikabend eingeladen hat. Im Ofen knistern lodernde Holzscheite eine familiäre Atmosphäre herbei. Unterdessen wird gerätselt: wie mag die neue Geige des Meisters wohl klingen? Jenes Instrument für Claudia Mende also, die als Kopie einer frühbarocken Geige vom Anfang des 17. Jahrhunderts in mühevoller Handarbeit entstand. Wie, das können Wissbegierige zuvor in Muthesius’ daneben liegender Werkstatt ergründen. Dort warten diverse Einzelteile – Decken aus Fichtenholz, Böden und Zargen aus Ahorn – in Press- und Klebespanneinrichtungen auf ihre Form-Vollendung für ein historisches Streichquartett. Dazwischen liegen Minihobelchen, einer putziger als der andere.

Solcherart eingestimmt, sehnt man im anheimelnden Musiksalon die „Geigenenthüllung“ herbei. Auch für den Erbauer ist es eine Klangpremiere, hat er doch seine Novität bereits vor sieben Wochen in die Welt der Konzertpodien und Aufnahmestudios entlassen, wo sie unter den sachverständigen Händen von Claudia Mende bereits reüssierte. Doch vor dem Hörgenuss müssen erst die aufwändigen Stimmarbeiten für die Geige und der sie begleitenden Arciliuto, langhalsiger Erzlaute, absolviert werden. Und das dauert. Zunächst zupft Andreas Arend ein Solo über den Cantus firmus „La spagna“. Der erweist sich als eine schlichte spanische Melodie voll der einfachsten Kunstfertigkeit, die der Lautenist völlig unprätentiös vorzuführen versteht. Und auch in der Toccata seconda und Gagliarden von Giovanni Girolamo Kapsberger meidet er jegliches akademisches, introvertiertes Musizieren. Hinsichtlich der erforderlichen, aber nicht notierten Verzierungen vertraut er ganz auf seinen stilkundigen Geschmack.

Geradezu lustvoll stürzt sich dann Andreas Arend in die Klangabenteuer von „Duetti furiosi“, die dem Abend zum Motto dienen. Dabei handelt es sich um Sonaten, Tanzsätze und Canti aus jener Frühzeit, in der die Geige als eigenständiges Instrument in die Musikgeschichte tritt. In Hörgestalt tritt sie nun per Sonata settima für Violine und Basso continuo von Marco Ucellini vor. Erster Eindruck vom Instrument: eine spröde Schöne, die sich kraftvoll zu äußern versteht. Manchmal, wenn sie sich aufzublasen versucht, auch etwas zu vorlaut und raustimmig. Doch durchweg glasklar führt sie jedes Notenwort sozusagen textverständlich vor. Weich Schwingendes, Wärme und Süße ist dem geklonten Kind aus Brescia – ganz im Gegensatz zu den Stradivari- und Amati-Verwandten – nicht als Aussteuer mitgegeben.

Ziemlich erwachsen, enorm sauber und weittragend tönt sie auch in der Sonata sesta von Giovanni Battista Fontana. Wenn die Geigerin mit Anmutungen eines Vibrato in einem Canto von Ascanio Mayone lang ausgehaltene Noten in Diskantlage streicht, besticht das Instrument mit ziehenden alt-modischen Tonfolgen. Kurzum: es ist ein spitzer Klang, an den sich das Ohr erst gewöhnen muss. Treten in den Piecen, musikgeschichtlich bedingt, affektgeladene Elemente hinzu, wechseln temperamentvolle Abschnitte abrupt mit besinnlichen, tänzerisch bewegten und schreitenden, dann zeigen sich Solistin und Instrument ganz von ihrer ausdrucksintensiven Seite. Beide müssen sich aber noch genauer kennen lernen, um den Flirt in eine dauerhafte Ehe münden zu lassen. Peter Buske

Peter Buske

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