Von Klaus Büstrin: Spurensuche
Michael Prinz von Preußen gab zum 150. Geburtstag seines Urgroßvaters, Wilhelms II., ein Buch heraus
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Auf den ersten Seiten ist ein Bild der Preußen-Familie, vermutlich aus den sechziger Jahren, veröffentlicht. Ganz in Eintracht. Genauso wie man es aus anderen monarchistisch gefärbten Büchern kennt, wenn auf den Fotos die Oberhäupter mit ihren Kindern und Kindeskindern versammelt sind. Darauf verzichtet auch Michael Prinz von Preußen in seinem soeben erschienenen Buch „Auf den Spuren der deutschen Monarchen“ (Helmut Lingen Verlag Köln) nicht. Doch die abgebildeten Prinzessinnen und Prinzen aus dem Hause Hohenzollern, die Tochter des letzten Kaisers Wilhelms II., Herzogin Viktoria Luise, sowie dessen Enkel Prinz Louis Ferdinand und Urenkel, hatten und haben keine politische Macht mehr, um Deutschland führend zu gestalten, wenn man von den fünf Jahren Regierungszeit der Herzogin von Braunschweig bis 1918 absieht.
Die Nachkommen Wilhelms II., dessen 150. Geburtstag am 27. Januar gedacht wird, gehen neben bürgerlichen Berufen dem Erinnern und Andenken von Tradition nach. Denn da verbirgt sich eine Fülle von Erbe. Sie erleben verklärte Erinnerungen und Ehrfurcht, aber auch Antipathien.
Michael Prinz von Preußen, im Hotel- und Finanzwesen tätig, wirbt mit seinem Buch für „eine solide historische Kenntnis unserer Geschichte“. Der Hohenzollern-Sproß ist der zweite Sohn von Louis Ferdinand Prinz von Preußen. Er wurde 1940 geboren, lernte also seinen Urgroßvater nicht mehr bewusst kennen, denn der – ein Verlierer der Geschichte – starb 1941 in seinem holländischen Exil Doorn.
Am 9. November 1918 verkündete der letzte kaiserliche Reichskanzler Prinz Max von Baden die Abdankung von Wilhelm II. Ein paar Stunden später wurde die Republik ausgerufen. Innerhalb weniger Tage stürzten alle deutschen Throne. Dynastien, die teilweise 800 Jahre in ihren Territorien regierten, traten sang- und klanglos ab. In der deutschen Geschichte ging der Übergang von der Monarchie zur Republik relativ gewaltfrei und für die bisherigen Repräsentanten der Macht glimpflich vonstatten. Anders als etwa in der Französischen oder Russischen Revolution kam es zu keinem kollektiven Blutvergießen. Prominentestes Opfer der untergegangenen Monarchie war der Kaiser selbst. Er konnte sich in seinem Exilort aber recht komfortabel einrichten. Nicht zuletzt deshalb, weil ihm die neue preußische Regierung rund 70 Güterwagen mit Kunstgegenständen hinterherschickte.
Der Preußen-Prinz versucht in seinem Buch alle Vorzüge der deutschen Monarchien ins rechte Licht zu stellen, im Text und in den zahlreichen Abbildungen. Da gibt es Einführungen in die religiöse Lage, in die Bildung, Wissenschaft und Kultur, in die Sozialpolitik zur Kaiserzeit. Und immer wieder wird das moderne Deutschland, sein Aufstieg zur Wirtschaftsmacht, gepriesen. Die „Spurensuche“ zu den Urahnen von Prinz Michael hat sich auch deswegen gelohnt, weil man erstaunt feststellen kann, dass so manche alten Errungenschaften und Verordnungen auch heute noch aktuell sind, sei es in kultureller oder in sozialer Hinsicht. Schön, dass Einblicke in die deutschen regionalen Fürsten-, Herzogtümer und Königreiche gegeben werden.
Das Buch ist sehr informativ, wirkt weitgehend wie eine Zusammenfassung von Bekanntem, ist sachlich, vielleicht etwas zu trocken geschrieben. Kritik an der Monarchie wird nur verhalten geäußert. Die Familie soll weitestgehend ohne Makel bleiben. Das Weltmachtstreben Wilhelms II. aber war verhängnisvoll, die Ausprägung des Obrigkeitsstaates mit seiner Untertanenmentalität uferte aus. Der erste Weltkrieg war schließlich das Ergebnis der wachsenden politischen Spannungen zwischen den Völkern. Als „nationales Erweckungserlebnis“ von den Deutschen 1914 ausgerufen, wandte man sich nach herben Verlusten und einer zunehmenden Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegen den Kaiser. Er, der meinte „Ein Nachfolger Friedrichs des Großen dankt nicht ab“, musste nun gehen.
Die Familie der Hohenzollern, die in Deutschland zurückblieb, ließ sich natürlich in Eintracht immer wieder fotografieren. Nach 1945 konnte sie sich aber nicht mehr in Potsdam versammeln. Erst nach 1989. Die Ausstrahlung, die die heutigen Mitglieder auf die einstige Residenzstadt ausüben, ist bis auf geschäftliche Engagements selten. Eher nimmt man die Stadt als schöne Kulisse für Feste. Beispielsweise wenn im Advent im geschlossenen Raum der Friedenskirche Jahr für Jahr Bachs Weihnachtsoratorium erklingt. Da bleibt man unter sich.
Michael Prinz von Preußen, Auf den Spuren der deutschen Monarchien, Helmut Lingen Verlag Köln, 19.90 Euro
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