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Kultur: Stadt Land Fluss

Olaf Thiede hat die Havel in ihrer ganzen Länge bereist und gemalt. Ein Buch ist daraus entstanden

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Wann genau er begann, die Havel zu malen, das kann Olaf Thiede nicht sagen. Immer schon und immer wieder ist der Potsdamer Maler fasziniert von dem Fluss, der Stadt und Land durchzieht, prägt, immer wieder neue Gesichter zeigt. Vor drei Jahren dann, als klar war, dass die Bundesgartenschau in die Havelregion kommt, entschied er sich, den Fluss einmal in seiner Gänze zu betrachten. Und hat nun ein Buch daraus gemacht: „Die Havel. Von der Quelle bis zur Mündung“ –mit einhundert Pastell- und Ölbildern, die die Havel in ihrem landschaftlichen als auch jahreszeitlichen Verlauf zeigen. Die Gemälde werden derzeit am Rande der Buga in Rathenow gezeigt. Am Mittwochabend hat Thiede das Buch im Gemeinderaum der Erlöserkirche dem Publikum vorgestellt.

Und hat zunächst in die Landeskunde eingeführt: Kaum jemand wüsste, sagte er, wo genau die Havel entlang fließt. Auch er selbst hatte nur eine vage Ahnung davon, wo sich die Quelle befindet. Irgendwo bei Ankershagen drängte das Wasser ans Licht. Dann zieht es in einer Kurve im Uhrzeigersinn von Nord-Ost nach Süd-West, durch vier Bundesländer, bis es bei Havelberg auf die Elbe trifft.

Heute verbindet man mit dem Fluss Natur- und Kulturlandschaft. Als es noch kein umfassendes Schienen- und Straßennetz gab, war der Fluss jedoch vor allem eins: Transportweg. Für Lastkähne mit Ziegeln und Holz, was man eben in Berlin zum Bauen brauchte; für die Kähne der Obstbauern, später auch für Ausflügler. Der Fluss trieb Wassermühlen an und wer rüber wollte, musste bisweilen, in Ermangelung von Brücken, eine der zahlreichen Fähren nutzen. Zeugnisse dieser alten Zeiten, halb versunkene Kähne, Schornsteine verlassener Ziegelbrennereien und Reste der Wassermühlen, finden sich allerorten in und an der Havel. Auch Olaf Thiede kam nicht daran vorbei, sie gehören zum Fluss und somit auch ins Buch.

Seinen eigenen Bildern hat Thiede historische Fotos, Zeichnungen und Bilder anderer Maler vorangestellt. Auch ein umfassender Textteil zur Geschichte der Havel und dem Leben mit dem Fluss stammt von Thiede. Alles selbst recherchiert, sagt er. Für ihn ist das nicht zu trennen von der eigentlichen Tätigkeit des Malens. „Ich habe mehr Literatur in meiner eigenen Bibliothek als es dazu in der Stadtbibliothek gibt.“

Thiede, der sich als altmeisterlicher Maler bezeichnet und, wenn es um seinen Malstil geht, nichts gegen das Wort konservativ habe, wie er sagt, musste den Fluss zunächst kennenlernen, bevor er ihn malen konnte. Dazu ist er ihn mit Fahrrad oder Auto abgefahren, hat Hügel oder gar Türme bestiegen. Er hielt Mücken, Hitze oder Kälte aus, Autos nervten, Bauern vertrieben ihn von ihren Feldern. Dass man als Maler stundenlang ungestört mit der Staffelei in der Landschaft sitzen kann, das sei ein Klischee, das gehe nur in Südfrankreich, sagt er.

Thiede hat vor Ort Skizzen gemacht, auch fotografiert, der Farben wegen. Hat vor allem stundenlang alles in sich aufgesogen, abgescannt, die Details sich eingeprägt: Wie sind die räumlichen Verhältnisse, welche Bäume und Gebäude stehen wie zu einander? Wie ist das Licht, sind Spiegelungen und Wellenschlag? Die Farbe des Wassers, des Himmels, die gesamte Stimmung? „Ich bin ein fast wissenschaftlicher Beobachter“, sagt Thiede. Im Atelier komponierte er daraus seine Bilder – nicht ohne künstlerische Freiheit. Exakt den Blick, den das Bild vermittelt, den gebe es praktisch nie, sagt er. Das war auch nicht die Absicht. Dann hätte er ja direkt vom Foto abmalen können.

So aber spiegeln die Bilder seine eigene, liebevolle Begegnung mit dem Fluss. Der Potsdamer wird das Stadtgebiet wiedererkennen, ein Panorama vom Ufer des Babelsberger Parks, den Thiede vom Ufer gegenüber, an der Berliner Straße, gemalt hat. Vom Grunewaldturm aus blickt man hinunter auf den Großen und Kleinen Wannsee, gespickt mit weißen Segeln. Vom Belvedere über eine Havellandschaft von Sacrow nach Spandau. Dann gibt es die leisen Bilder, einsame Buchten, von Schilf gesäumt, und sanfte begradigte Flussläufe, beschattet von Baumkronen, die sich wie Alleebäume schützend über das Wasser beugen. Und manchmal liegt der Fluss mit dunkel gekräuseltem Wellenschlag im abendlichen Schneetreiben – im Hintergrund setzt die letzte Fähre über.

Deshalb funktionieren die Bilder einerseits als Kunstwerke – auch wenn Thiede, der Autodidakt, von dem Wort gar nicht so viel hält. In ihrer Gesamtheit funktionieren sie auch als Dokumentation, als Chronik, anhand derer sich allerhand erzählen ließe. Auch das macht Thiede gern, am morgigen Samstag etwa wird er in Rathenow Besuchern seiner Ausstellung davon berichten.

Die Ausstellung ist bis 12. Juli im Kulturzentrum Rathenow, Märkischer Platz 3, zu sehen. Am morgigen Samstag von 11 bis 17 Uhr ist Thiede anwesend. Am 12. Juli um 11 Uhr hält er seinen Vortrag zum Buch.

Olaf Thiede: Die Havel. Von der Quelle bis zur Mündung. Erschienen 2014 im Selbstverlag Olaf Thiede. 160 Seiten kosten 22,50 Euro.

nbsp;Steffi Pyanoe

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