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Originalverpackt seit letztem Umzug. Im Depot des Potsdam Museums auf Hermannswerder gibt es nicht genug Platz, um endlich auch die letzten Bücherkisten auszupacken. Wer hier etwas Bestimmtes sucht, muss Geduld und Zeit mitbringen.

© Christoph Freytag

Kultur: Stadtgedächtnis kistenweise

Das Potsdam Museum braucht dringend ein neues und größeres Depot. Doch die Stadt meint, dafür sei kein Geld vorhanden

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Hinten rechts steht er, der kleine Tisch, eine verschnörkelte Rokokoreplik aus dem 19. Jahrhundert. Diplomrestaurator Oliver Max Wenske und Jutta Götzmann, Leiterin des Potsdam Museums, drängen sich vorsichtig zwischen weiteren Möbelstücken hindurch, dann wird eine Schutzabdeckung gelüftet. „Schön, diese Perlmutteinlegearbeiten“, sagt Götzmann.

Doch den Tisch, ein in Kooperation mit der Fachhochschule Potsdam restauriertes Möbelstück, aus seiner Ecke rauszuholen, wenn er demnächst in die Dauerausstellung soll, wird nicht ganz einfach sein. Der kleine Raum im Depot auf Hermannswerder ist voll gestellt mit Polsterstühlen und Vitrinenschränken, Sekretären und Standuhren, die bis unter die Decke reichen. Alles hier steht geschützt und sicher – zugänglich ist es oft jedoch nur mit viel Aufwand.

Dieses Problem zieht sich nahezu durch sämtliche Räume der beiden Museumsdepots in Groß Glienicke und auf Hermannswerder. Hier befand sich früher ein Labor – manche der ohnehin kleinen Räume haben einen schrägen Fußboden mit Bodenablauf, der das Stellen von Regalen zusätzlich erschwert. Seit Jahren leidet das Potsdam Museum unter dieser völlig unbefriedigenden bis brenzligen Depot-Situation. Immer wieder ist das auch Thema in der Stadtpolitik. Doch Kämmerer Burkhard Exner (SPD) macht bisher keine Hoffnung, dass es Geld für ein neues Depot geben könnte.

Auf insgesamt etwa 1800 Quadratmetern wird derzeit das Stadtgedächtnis aufbewahrt. Nur arbeiten kann man damit kaum, forschen schon gar nicht. Wird eine Kiste geöffnet, ein Objekt aus dem Schrank geholt, fehlt meist der Platz, um es irgendwo sicher abzustellen, geschweige denn damit zu arbeiten, restauratorisch oder wissenschaftlich. Dabei ist das – neben der ständigen Ausstellung im Haus am Alten Markt – die zweite ursächliche Aufgabe dieses städtischen Museums: die Schätze bewahren, archivieren, und auf Nachfrage Wissenschaftlern zur Verfügung stellen. „Wir sind auch eine wissenschaftliche Einrichtung“, sagt Fördervereinsvorsitzender Markus Wicke. Pro Monat bekomme man etwa fünf Anfragen. „Manche müssen wir ablehnen, die meisten vertrösten. Eine Wartezeit von acht Wochen ist das Minimum“, sagt Götzmann.

Auch die eigene Museumsarbeit kommt zu kurz. Neue Ausstellungen vorzubereiten ist unter diesen Bedingungen eine Herausforderung. Objekte heraussuchen, aufbereiten und beschriften, das alles dauert etwa ein Jahr, viel zu lang, sagt die Museumschefin. Es verschlingt mehr Zeit und Personal als es müsste, wenn es dazu mehr Platz gebe und eine moderne Einrichtung.

3000 Quadratmeter an einem Standort in Potsdam oder zumindest der nahen Umgebung wären wünschenswert, sagt Götzmann. Spätestens in drei oder fünf Jahren laufe der Mietvertrag für die Räume in Groß Glienicke aus, dann muss eine dauerhafte, zukunftsfähige Lösung her. Die Grünen werden dazu im Kulturausschuss am heutigen Donnerstag einen Antrag erneut auf die Tagesordnung setzen: „Das Potsdam Museum braucht einen zentral gelegenen Depotbau mit langfristiger Perspektive und angemessenen Bedingungen. Die fachlichen Belange des Museums sind prioritär zu beachten.“

Bis Herbst 2016 soll eine Art Inventur im Depot stattfinden. Dazu soll alles gesichtet, geordnet und vor allem digital katalogisiert werden. Dann soll ein detailliertes Raumkonzept für das künftige Depot entwickelt werden. Je klarer die Vorgaben, desto passgenauer die Immobilie, desto weniger Platz brauche man letzten Endes, so Götzmann. Sie könne sich einen Neubau als auch eine bereits bestehende Immobilie vorstellen.

Derzeit stehen in vielen Räumen Kartons, die noch aus der Zeit des Umzugs aus der Benkertstraße an den Alten Markt stammen. Regale und Schränke sind voll, aber auch das Mobiliar könnte, müsste modernisiert werden. Die Grafikschränke aus Holz, so schön sie auch aussehen, müssten dringend durch Metallschränke ersetzt werden. „Holz arbeitet, die Schubladen werden schwergängig, und letztlich ist das Mikroklima in einem Holzschrank nicht gut für die Objekte. Heute nimmt man Metall, ein absolut neutrales Material“, sagt Restaurator Wenske. Immerhin gibt es im Grafikraum Arbeitsplätze mit Rechnern und großen Tische, auf denen Platz ist, um etwas anzuschauen, vielleicht zu reinigen und neu zu verpacken, in säurefreie Kartons und Seidenpapier. Hier werden Neuerwerbungen begutachtet, Bilder für neue Ausstellungen vorbereitet.

Götzmann ist es wichtig zu betonen, dass derzeit alles sicher, trocken und klimaneutral lagert. Doch bereits jetzt müsse eine Alternative in Ruhe und mit Bedacht vorbereitet und geplant werden. Das Museum wächst, durch Ankäufe und Schenkungen. Götzmann wünscht sich nicht nur bessere Lagerbedingungen, sondern auch moderne Arbeitsplätze, auch für Studenten und Wissenschaftler, die in Potsdam forschen wollen. Wünschenswert wäre auch ein Schaudepot, wie es viele große Museen haben.

Weil bereits jetzt der Platz knapp wird, muss das Museum noch in diesem Jahr übergangsweise neue Räume anmieten. „Wir brauchen etwa 400 Quadratmeter und zwar so schnell wie möglich“, sagt die Museumschefin. Man sei dazu mit dem Kommunalen Immobilienservice (Kis)im Gespräch. „Die Erweiterung beziehungsweise der Bedarf werde geprüft, heißt es dazu vom Kis.

Götzmann sagt, in Groß Glienicke gebe es zwar Kapazitäten, aber diese Räume würden als Reserve für das Stadtarchiv zurückbehalten. Das sei verständlich, sagt Fördervereinschef Markus Wicke, aber auch das Museum sei schließlich auf Wachstum angelegt. Und letztlich sei man denen gegenüber, die dem Museum ihre Schätze überlassen, verpflichtet, die Sachen sicher und konservatorisch adäquat zu behandeln. „Sie sollen wissen, dass es bei uns in guten Händen ist“, sagt Museumskonservator Wenske.

nbsp;Steffi Pyanoe

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