Kultur: Stadtschloss im Kopf
Im Nikolaisaal fragte „Klassik plus Gespräch“ nach einem „Schloss für die Zukunft“
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Sind nicht alle Argumente längst ausgetauscht, wollen die Bürger nicht endlich Entscheidungen statt vieler Worte? Nein, die in konzertantem Rahmen eingebettete Expertenrunde am Donnerstag im Nikolaisaal, die Danuta Görnandt für Radio Kultur und die Kammerakademie leitete, machte die aktuelle Dringlichkeit nach der Frage zur Zukunft unserer Stadtmitte sogar deutlicher. Das „Herz der Stadt“, wie der Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer, Bernhard Schuster, den Alten Markt nannte, brauche gerade auch in Zukunft die Einmischung durch die Bürger.
Mit Schuster, dem Berliner Historiker Laurenz Demps, Vorsitzender der Expertenkommission „Historische Berliner Mitte“ und Markus Wicke, dem Vorsitzenden des Fördervereins vom Potsdam-Museum hatte Görnandt für „Klassik plus Gespräch“ einen Kreis eingeladen, in dem sehr sachlich die wesentlichen Aspekte zum Thema Stadtschloss in einen tieferen Zusammenhang gestellt wurden.
Architekt Schuster erinnerte daran, dass die Potsdamer Mitte viel mehr wäre, als nur der Stadtschlossbau allein. „Wir reden hier von einem Gebiet, das vom Wilhelmplatz, dem heutigen Platz der Einheit, bis zur Havel reicht“, mahnte er, der Landtagsneubau wäre angesichts der großen städtebaulichen Aufgabe, ein lebenswertes Zentrum zu schaffen, eigentlich ein Randthema.
Aber eines, das die Gemüter erhitzt. Der dringliche Wunsch von vielen, ein möglichst historisches Abbild des alten Schlosses entstehen zu lassen, wurde von Laurenz Demps verstanden. Es sei eine Frage der „Aneignung und Auseinandersetzung mit Geschichte“, dazu brauche man Transportmittel wie den Stadtschlossbau.
Neben der städtebaulichen Diskussion käme man um eine politische nicht herum, meinte Markus Wicke. Schließlich wären Stadtschloss, Garnisonkirche und Heiliggeistkirche als preußische Symbole von der DDR aus dem Stadtbild getilgt worden, um eine sozialistische Idealstadt entstehen zu lassen. Wicke sah ein tiefes Bedürfnis der Bevölkerung nach „den alten Bildern.“ Das Filmmuseum sei regelrecht überrannt worden, als es Filme von alten Stadtansichten zeigte. „Die alten Bilder sind in den Köpfen“, sagte er. Auch Schuster maß der „Kraft der Bilder“ einen enormen Wert bei. So habe allein die Machbarkeitsstudie zum Stadtschloss, in der über die Berechnung des Raumbedarfs des Landtags hinaus auch zum ersten Mal ein bildhaftes Modell des Baus geliefert wurde, die Entscheidung des Parlaments beschleunigen helfen.
Wicke bedauerte deshalb den offiziellen Umgang der Stadt mit seiner eigenen Geschichte und deren Relikten. „Nur wer um seine Geschichte weiß, kann in die Zukunft gehen“, stimmte Demps ihm zu. Es sei ein Skandal, dass die bedeutende Sammlung des Potsdam-Museums, in dem sich der Bürger über seine Stadtgeschichte und die verlorene Potsdamer Mitte kundig machen könnte, auf „hundert Quadratmetern im Haus in der Benkertstraße versteckt“ werde. Um Geschichte anschaulich und begreifbar zu machen, könne er sich eine Schaustelle am Alten Markt vorstellen. Demps schilderte die guten Erfahrungen, die der Berliner Stadtschlossverein damit bereits gesammelt hat.
Bernhard Schuster kritisierte das auf einen offenen Wettbewerb verzichtende Vergabeverfahren für den Landtagsneubau. Das öffentlich-private Finanzierungsmodell, in dem ein Investor den Landtag baue und betreibe sei „leider nicht geeignet“, den hohen Qualitätsanspruch an die Architektur zu transportieren, der an dieser Stelle nötig sei. Investoren hätten andere Interessen. Schuster riet den Bürgern zu besonderer Wachsamkeit, wenn im September die Entscheidung für einen Entwurf vorgestellt werde. Der Einzelne solle sein Bauchgefühl sprechen lassen. Das Verfahren selbst sähe eine Korrekturmöglichkeit zu dieser Zeit allerdings gar nicht mehr vor.
Und die Musik? Sie brachte die knapp fünfzig Zuhörer zunächst direkt ins Musikzimmer des Stadtschlosses. Dort lieferte Friedrich II. dem zu Besuch weilenden Johann Sebastian Bach das Thema zu seinem Quartett „Musikalisches Opfer“, das die vier Mitgliedern der Kammerakademie in anmutiger Rokokomanier an Violine, Flöte, Cello und Cembalo vortrugen. Wie der Kontrast zwischen dem Knobelsdorff“schen Original und den modernistischen Entwürfen wirkten dazu die beiden neuen Kompositionen: eine vom Potsdamer Alexander Nowitz und eine vom Ungar György Kurtág, beide von der Flötistin Bettina Lange gespielt. Man ahnte an der Atonalität, den überblasenen Tönen und der „neuen“ Harmonik: Auch in der Musik ist die Geschichte immer Bezugspunkt für die Gegenwart. Für die Entwicklung, ja Negation des Alten, bedarf es zunächst eines Wissens darum.
Nachzuhören: „Märkische Wandlungen“, Radio Kultur RBB, 10. 4., 22.04 Uhr.
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