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Kultur: Ständiges Changieren

„Stunde der Musik“ mit Klenke Ouartett im Nikolaisaal-Foyer

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„Stunde der Musik“ mit Klenke Ouartett im Nikolaisaal-Foyer Einem Schlachtruf gleicht, was die „Stunde der Musik“ im Foyer des Nikolaisaals den Kennern und Liebhabern ankündigt: Nach Moskau! Leider handelt es sich dabei keinesfalls um eine thematisch zwingende Offerte, sondern nur den Zielpunkt einer jener Städtereisen, wie man sie auch musikalisch zur Genüge kennt. Sie führt von Wien (Franz Schubert) über Berlin (Felix Mendelssohn Bartholdy) in die russische Metropole (Peter Tschaikowski). Ein Allerweltsprogramm auf eingefahrener Route also, dem sich das Klenke Quartetts verschrieben hat. Dass daraus jedoch keine Allerweltsbesichtigung wird, dafür bürgen instrumentales Können, stilkundiges Erforschen der unterschiedlichen Materie und leidenschaftsbewegtes Musizieren der Damenriege aus Weimar. Den Ton des zwielichtigen Streichquartettsatzes c-Moll D 703 von Schubert treffen die bestens miteinander harmonisierenden Musikerinnen mit jener spielerischen Ambivalenz, die man als ständiges Changieren der Stimmungen und Klangfarben wahrnimmt. Die unaufhörlichen Gefühlsumschwünge von gebrochenen und krisengeschüttelten Empfindungen in dramatisch Emporloderndes, von lyrischen Erinnerungen in den seelentiefen Rückzug gelingen den Spielerinnen vorzüglich, weil enorm differenziert und dynamisch nuanciert. Mit nicht weniger Empfindung tragen sie Mendelssohn Bartholdys Streichquartett a-Moll op. 13 vor, Werk eines in sich ruhenden, von keinerlei finanziellen und sozialen Sorgen angekränkelten 18-Jährigen. Die warme Tongebung der Spielgemeinschaft nimmt sehr für sich ein. Genauso wie die einheitlich ausgeprägten Vorstellungen von Dynamik, Klang, Bogenführung und -druck, innerlicher Befindlichkeit. Die Gleichwertigkeit der Stimmen bleibt jederzeit gewahrt. So entsteht eine facettenreiche Ausdeutung, die genauso wenig auf frostige Ausbrüche verzichten mag wie auf leidenschaftliche Aufschwünge. Stets glaubt man das dreitönige Liedthema „Ist es wahr?“ zu vernehmen. Allein mit „geschmeidig“ ließe sich die stimmungsdichte Wiedergabe des zweiten Satzes „Adagio non lento“ nur unvollkommen beschreiben. Der Ton der Klenkes hat hier die Neigung zu einer leichten Schärfe, zu einer gewissen Direktheit. Das nimmt den noch immer weit verbreiteten Vorurteilen gegenüber Mendelssohn Bartholdy als gefällig-verzärteltem Glattschreiber wahrlich allen Wind aus den Segeln. Der Jüngling wusste schon, wo einem die Liebesqualen in der Brust schlagen. Die Damen spüren dem mit aller gebotenen Intensität und Noblesse nach. Im graziösen Intermezzo sind sie elfenhuschenden Eskapaden genauso auf der Spur wie lyrischen Reminiszenzen. Die tremolierende Wucht des sich fast nahtlos anschließenden Presto-Finales, das schließlich sein klangschönes Adagio-Ende findet, hält sich allerdings in Grenzen. Kommt es gelegentlich zum rabiaten Zugriff, wird der Ton leider unschön. Ordnet sich Primaria Annegret Klenke vor der Pause den anderen ein, gibt sie danach in den erregten Passagen von Tschaikowskis Streichquartett Nr. 3 es-Moll op. 30 hörbar den Ton an – einen vollmundig-saftigen, an dem sich die anderen beteiligen. Sonor klingt das Cello (Ruth Kaltenhäuser), vernehmlich und vielsagend die 2. Violine (Beate Hartmann) nebst Viola (Yvonne Uhlemann). Man pendelt zwischen voluminösem, quasi sinfonischem Zugriff und leichtstimmiger, aparter Wechselrede a quattro. Nie wird dabei die Contenance außer Acht gelassen, selbst im erregten Disput des Scherzos nicht, wo eine Stimme nach der anderen um ihre Meinung gebeten ist. Doch man kann auch – wie im Andante funebre – schwerblütig sein, eine sich dahinschleppende Trauergemeinde imaginieren, con sordino energische Tröstungen verabreichen, fragendes Aufbegehren artikulieren. Eine stampfende, fast verbissen wirkende Fröhlichkeit (Finale) gibt sich zunehmend entspannter, findet zu einem resoluten und freudestrahlenden Kehraus. Der Beifall ist es nicht weniger. Peter Buske

Peter Buske

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