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Kultur: Stapelware

Sebastian Seidemann zeigt im T.A.Z.–Container im Schirrhof seine Container-Fotografien

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Selbst mit dem Fahrrad wäre er zu schnell gewesen. Wenn Sebastian Seidemann auf Motivsuche geht, verlässt er sich auf die Entdeckung der Langsamkeit. Es ist der genaue Blick, sein Gespür für Spannungen zwischen starren Formen und weichen Bewegungen, die seinen Fotos Kraft und Schönheit geben. Ja, sie sind tatsächlich schön in ihrer spröden Eigenwilligkeit: diese in Szene gesetzten Container mit ihrem rostigen Charme und den harten Schattenwürfen. In ihrer farblichen Verblichenheit und mit ihren scharfen Kanten gehen sie mit dem Bewuchs von frischem Grün und wildem Wein eine befremdliche und doch reizvolle Liaison ein. Sebastian Seidemann gibt den normierten stapelbaren Ungetümen aus Metall ein ganz eigenes Gesicht.

Der Potsdamer, der sich selbst nicht fotografieren lassen will, bekam schon als Kind von seinen Eltern eine Kamera geschenkt, mit der er seine Umgebung genauer betrachtete. Vor fünf, sechs Jahren hat der als DJ bekannte Künstler dieses Hobby wieder aufgegriffen und es zu neuen Sichtweisen geführt.

Für seine Ausstellung im Container der „Temporary Art Zone“ (T.A.Z) in der Schiffbauergasse, die Sebastian Seidemann heute um 20 Uhr mit Plattenauflegen selbst eröffnet, machte er sich die Container dieser Stadt zu eigen: von der Wetzlarer Straße über Potsdam-West bis in die Schiffbauergasse. Die Idee ist so einfach wie originell. Als ihn der Kurator der Container-Sommerbespielung, Erik Bruinenberg, fragte, ob er nicht dort mitwirken möchte, sagte der 38-jährige Autodidakt sofort zu. Aber was passt in so einen dunklen Verschlag? Seine Landschafts- und Straßenfotos von Lissabon und Genua? Eher nicht. Aber Container dieser Stadt – präsentiert in einem Container? Das klang witzig. Auch der etwas überspannt anmutende Titel „Die Illusion der Ewigkeit und ihre temporäre Selbstverstauung“ ist eher als ein Augenzwinkern zu verstehen. Im Monat Juni machte sich Sebastian Seidemann auf den Weg, um Container zu finden – und war überrascht, wie viele es davon gibt. „Das kriegt man überhaupt nicht so mit, wahrscheinlich weil man sie einfach in ihrer Hässlichkeit übersieht.“

Doch wenn man seine vom Parkhaus aufgenommene Draufsicht auf zwei Container am Gasometer der Schiffbauergasse betrachtet, ist das ein durchaus reizvolles Spiel von Linien und Schrägen, Licht und Schatten. Vor den abblätternden gelben und blassroten Containern sieht man eine wilde Bewegung, „eine blaue Simson mit einer Blondine drauf“. Doch das weiß der Fotograf nur selbst. Der Betrachter sieht einen verhuschten Wirbel, der dem statuarischen Beton und Metall die Strenge nimmt. Und dann steht da in dunkler Ecke ganz verloren ein weißer Plastikstuhl. Wer wird darauf wohl gesessen haben? Sebastian Seidemann ist von solchen Details oft selbst überrascht. Obwohl er sehr genau guckt, bevor er auf den Auslöser drückt – sind es diese kleinen Dinge, die erst nach dem Vergrößern der Bilder zum Vorschein kommen. Und ihn begeistern. Manchmal ein Vogel, manchmal zackige Schatten, die malerisch wirken.

Der eher zurückhaltende Mann mit dem kurzgeschnittenen Haar fotografierte seine Container in knalliger Mittagssonne – obwohl er natürlich weiß, dass die beste Zeit fürs Fotografieren morgens oder abends ist. Aber er wollte diesen harten Schattenschlag, und dazu die Unruhe der Natur, die er mit langer Belichtungszeit und mit ruhiger freier Hand einfing. Seidmann zeigt die Abnutzungsspuren und den Verschleiß dieser normierten Metallverschläge und weiß zugleich das Geheimnisvolle zu wahren. Dicke Schlösser verriegeln diese riesigen abgestellten Kästen, die morgen schon woanders sein können oder aber einfach scheinbar vergessen vor sich hin rosten. Und keiner der Vorübergehenden weiß, was in ihnen verstaut ist.

Vor einem dieser Verschläge liegen unsortierte Sachen. Achtlos weggeworfen oder aber die verlassene Behausung eines Obdachlosen? Daneben gibt es einen Container mit Fenstern. Ein Bürocontainer oder Schlafstätte für Montagearbeiter? Sebastian Seidemann zeigt ihn eingebettet zwischen einer alten, von Efeu überwucherten roten Backsteinmauer und einem rasenden roten Zug. Der graue Container scheint indes verwachsen mit seinem Standort. Aber auch dieser Eindruck kann trügen.

Der Fotograf fixiert Dinge, die möglicherweise am nächsten Tag nicht mehr vorhanden sind. Es ist wie ein Anhalten der Container, die ihre Ladung von A nach B bringen sollen. „Sie sind zum Verstauen da. Nun verstaue ich sie selbst in einem Container“, sagt Sebastian Seidemann.

Eröffnung heute um 20 Uhr im Container, Schirrhof, Schiffbauergasse. Zu sehen bis 25. August, Mi bis So, 12 bis 18 Uhr

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