Der Fontane sei für sie ein Heiliger, sagte Asta Scheib während ihrer Lesung am Dienstag in der Villa Quandt, und Vergleiche mit ihm und seinem Schreibstil doch völlig unangebracht, fügte sie bescheiden hinzu. Im Gegenteil: lese sie in den Werken ihres „Leib- und Magen-Dichters“, müsse sie eine Schreibpause machen, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Gewiss, hin und wieder schlichen sich vielleicht Techiken des Vorbilds ein, einigten sich Scheib und Gastgeber, Peter Schaefer, Mitarbeiter des Fontanearchivs, auf die Arbeitsweise der erfolgreichen Autorin. Schließlich erinnere auch die Themenauswahl ihrer zahlreichen Bücher, Romane, Erzählungen, aber auch Lyrik und Drehbücher an den märkischen Dichter.
Oft schreibt Asta Scheib, geboren 1938, über Frauengestalten, die im Schatten ihrer berühmteren Männer oder trotz widriger gesellschaftlicher Umstände ihren Weg suchen. In den Achtzigern recherchierte die im Bergischen Land Aufgewachsene intensiv in Wittenberg über Katharina von Bora; der Roman über Luther, vielmehr seine Ehefrau, wurde einer ihrer erfolgreichsten. Es ist diese Mischung aus gründlicher Recherche und feiner Beobachtung, verbunden mit einem Gespür für zurückhaltende, manchmal eiskalte Dramaturgie und punktgenauem, stilsicherem Spracheinsatz, der auch bei zwei der am Abend vorgetragenen Kurzgeschichten aus dem neuen Band „Streusand“ die Zuhörer atemlos lauschen ließ. Beide Texte hätten unterschiedlicher nicht sein können, dennoch vereint sie eine gewisse Authentizität.
In „Meinetwegen mit Manja“ sind „Protokolle der Zugeführten“ der Demonstrationen in Berlin-Ost im Herbst ’89 eingeflossen. Scheib war damals in Berlin, um mit einem Ost-Berliner Verlag eine Veröffentlichung zu besprechen und bekam Kontakt zu Bärbel Bohley, Ulrike Poppe und anderen aus der Bürgerbewegung. Entstanden ist ein Text, in dem die Ich-Erzählerin die Flucht ihres Geliebten verkraften muss, Verhaftung, Filzen und Verhör erträgt und schließlich erkennt: „Ich gehe wieder auf die Straße. Und du? Komm zurück! ... Unterschätze nicht die, die uns in jeder Nacht getreten haben, sie sind alle noch da.“ Man mag 20 Jahre nach der Wende über die Notwendigkeit solcher Texte nachdenken, allein die literarische Qualität lässt hier keinen Zweifel daran.
Der „Tod der Tandlerin“ ist in Süddeutschland angesiedelt und laut Schaefer die stärkste Geschichte des Bandes. „Das geht unter die Haut“, blieb den Gästen anschließend nur noch zu sagen. Eine Steigerung wie beim Schneeballprinzip, unaufhaltsam, die Katastrophe im Titel angekündigt und dennoch irgendwie irreal – starker Tobak. Auffällig sei, so Schaefer, dass der eigentliche ungeheuerliche Vorfall gar nicht erzählt würde – nur das davor und danach. Den Rest müsse der Leser sich denken. Das wäre nun doch ein bisschen wie bei Fontane, wo man auch immer zwischen den Zeilen lesen müsse. Hier deckte sich sein Eindruck mit Scheibs ersten Fontane-Begegnungen. In der Schule habe sie als erstes „Effi Briest“ gelesen – doch was das für ein harter Stoff sei, erst viel später begriffen. „Fontane hat den Ehebruch unglaublich taktvoll und behutsam beschrieben, ich hab lange Zeit geglaubt, das sei alles lediglich eine Verleumdung“, bekannte sie.
Dass Asta Scheib auch lustig kann, bewies ihr autobiografisches Material über den Eintritt des Rock’n’Roll in Gestalt von Schallplatten des gefährlich hüftkreisenden Elvis Presley in ihr Backfischleben. Bei den meisten Gästen dürfte sie damit eine angenehme kollegiale Erinnerung heraufbeschworen haben. Steffi Pyanoe
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