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Kultur: Stasi-Propaganda und Liebesspiele

Filmklassiker vorgestellt: „Septemberliebe“ zur Reihe „Kurt Maetzig – Zum 100. Geburtstag“

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Vor allem Babelsberger Filmgeschichte wird im Filmmuseum Potsdam gehegt und gepflegt. Nicht nur Technik, auch vielfältige Dokumente, Kostüme und Nachlässe werden gesammelt und dem Publikum präsentiert. Zur Aufführung kommen ebenso cineastische Kostbarkeiten. In unserer Serie „Filmklassiker vorgestellt“, die gemeinsam mit dem Museum entstand, stellt Lena Hoffmann, Mitarbeiterin des Filmmuseums Potsdam, heute den Film „Septemberliebe“ vor, der am morgigen Mittwoch, 20 Uhr, am Donnerstag, dem 10. Februar, um 18 Uhr und am Sonntag, dem 13. Februar, um 20 Uhr, im Filmmuseum in der Beiten Straße 1a im Rahmen einer Filmreihe anlässlich des 100. Geburtstags von Defa-Regisseur Kurt Maetzig zu sehen ist.

Kaum haben sich Hans und Franka aller familiären Hindernisse zum Trotz füreinander entschieden, wird ihre Liebe erneut auf eine Bewährungsprobe gestellt. Dieses Mal ist der Konflikt von gesellschaftlicher Tragweite. Hans ist in die Fänge eines westdeutschen Agentenrings geraten und hofft, sich des staatsfeindlichen Treibens entziehen zu können, indem er die von ihm erwartete Spionagetätigkeit ablehnt. Als er sich Franka anvertraut, bittet sie ihn jedoch inständig, das Ministerium für Staatssicherheit zu benachrichtigen. Er gerät in Panik und sieht den einzigen Ausweg darin, nach West-Berlin zu fliehen. Franka beschließt – freilich aus Liebe – Hans bei der Stasi anzuzeigen.

Defa-Starregisseur Kurt Maetzig erzählt mit „Septemberliebe“ im Jahr 1961, noch vor Errichtung des „antifaschistischen Schutzwalls“, eine Geschichte über Republikflucht in Form einer Fabel. Die Handlung wird angetrieben durch das antithetische Verhältnis von Frankas und Hans’ Auffassungen, durch Rede und Gegenrede, das Für und Wider den Staatssicherheitsdienst. Obgleich Maetzig seine Zuschauer „nicht mit fertigen und vorgeformten Rezepten zu überfüttern“ gedachte und zu ihrem eigenen Urteil bewegen wollte, sind parteiliche Orientierung und didaktische Absicht des Films doch unverkennbar.

Franka wird zum Inbegriff sozialistischer Treue, zum Sinnbild von Tugenden wie Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Mit Halbheiten gibt sie sich nicht zufrieden. Hans hingegen ist unbeständig. Fiebrig und taumelnd wandelt er auf Irrpfaden. Hans’ Wahn steht der nüchternen Rationalität der weiblichen Heldin gegenüber. Derart inszeniert, geht es Maetzig nicht nur darum, das Thema Republikflucht verhandelt zu sehen, sondern auch um die richtige Antwort und das nötige Vertrauen in das Ministerium für Staatssicherheit.

Die zeitgenössische Presse der DDR rechnet ihm das hoch an. Der Film habe das Potential, den Schlusspunkt der faden, gleichförmigen, revisionistischen Filmkultur der vorangegangenen Jahre zu markieren. Endlich werde gesellschaftliche Verantwortung in Verbindung mit menschlichen Figuren und mit leidenschaftlicher Färbung thematisiert. Die westdeutschen Journalisten hingegen formulieren es anders. Ihnen stößt die Verbindung von Politik und freizügiger Intimität bitter auf. „Der Spiegel“ wirft dem Film vor, „ein fades Propagandathema in erotischer Verkleidung abzuspulen“. Man wolle dem Zuschauer den politischen Stoff durch offenherzige Intimszenen schmackhaft machen.

Auch die ostdeutsche Presse merkt kritisch an, dass der Film zwar „leer und blass“ wäre ohne die Liebesszenen, doch zeige das „Forellenspiel der Verliebten im nächtlichen See eine Spur zu deutlich die Freude am nackten Körper“. Aus heutiger Sicht aber entfaltet der Film „Septemberliebe“ eher einen keuschen Charme und besticht durch den Reiz des Nicht-Gezeigten.

Trotz aller Kontroversen verschwindet der Film bald wieder aus dem Licht der Öffentlichkeit. Ein halbes Jahr nach seiner Uraufführung wird die Berliner Mauer gebaut und dem vorgetragenen Konflikt der Boden entzogen. Kurt Maetzig, der sich mit seinen Filmen immer am Puls der Zeit bewegte, wurde die Nähe zum Zeitgeschehen zum Verhängnis. Er habe – so sagt er später – mit dem Film nur auf den „Prozess des Abgleitens“ reagiert. Frankas vorbildliche Staatstreue, aber auch die Inszenierung des Stasi-Beamten als verständnisvollen, gutmütigen Onkel entwickeln aus heutiger Perspektive eine tragische Komik. So ist der Film „Septemberliebe“ vor allem als Zeitdokument interessant.

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