Kultur: Steiniger Weg zum „Klavierolymp“ Einav Yardens Konzert in der Erlöserkirche
Zum Saisonabschluss sind die „Unterwegs“-Konzerte des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter Leitung von Ud Joffe nach vielerlei thematischen Länderreisen und Auftritten in diversen Potsdamer Spielstätten nun wieder an den Ort zurückgekehrt, wo anno 2001 alles begann – in die Erlöserkirche. Von hier aus brachen die Musiker der freien Orchesterinitiative auf, das Konzertleben der Landesmetropole mit unkonventionellen, reizvollen Programmen zu bereichern.
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Zum Saisonabschluss sind die „Unterwegs“-Konzerte des Neuen Kammerorchesters Potsdam unter Leitung von Ud Joffe nach vielerlei thematischen Länderreisen und Auftritten in diversen Potsdamer Spielstätten nun wieder an den Ort zurückgekehrt, wo anno 2001 alles begann – in die Erlöserkirche. Von hier aus brachen die Musiker der freien Orchesterinitiative auf, das Konzertleben der Landesmetropole mit unkonventionellen, reizvollen Programmen zu bereichern. Am Donnerstag versuchten sie bei ihrem saisonfinalen 4. Sinfoniekonzert, ganz Ludwig van Beethoven gewidmet, sogar den „Klavierolymp“ zu stürmen. In Vorbereitung darauf hatten im März vier Pianistinnen mit einem Sätze-Mix aus den ersten vier Klavierkonzerten des Meisters um jenen Preis gewettstreitet, das fünfte Konzert komplett und allein spielen zu dürfen. Die Wahl des Publikums fiel auf die in Israel geborene Einav Yarden.
Doch ehe sie zum Gipfelsturm anheben konnte, reichte das Neue Kammerorchester Potsdam zunächst Beethovens vor 214 Jahren komponierten sinfonischen Erstling in C-Dur op. 21 der erwartungsfroh gestimmten Hörgemeinde im fast bis auf den letzten Platz besetzten Sakralbau dar. „Feurig strömend“ hat Carl Maria von Weber sie genannt. In ihr beschreitet Beethoven mancherlei neue Wege, um sein Publikum zu überraschen. Das fängt bereits in der Adagio-Einleitung an, wo gleichsam drei musikalische Fragezeichen zum Eintritt in das Reich der unbekannten Verheißungen auffordern. Elastisch und spannungsgeladen spielend, öffneten die Musiker abrupt das Klangportal. Der Zuhörer staunte über geschmeidige Figurationen, entdeckte motivische Querverbindungen und delektierte sich an der Spielkultur des Orchesters und den atmenden Tempi des Dirigenten. Was bedeutet, dass die Musik durch sich selber sprechen kann: festlich erhaben, etwas verspielt, leidenschaftlich und charaktervoll, beschwingt, voller hüpfender Fröhlichkeit. All das vollzog sich im steten Wechsel von An- und Entspannung. Es wurde kurz phrasiert, wo nötig; gefällig gespielt, wo möglich.
Solcher differenzierenden Deutung versagt sich jedoch die Wiedergabe des heroisch-optimistischen 5. Klavierkonzerts Es-Dur op. 73, wobei die konzertant-virtuose Anlage des Soloparts sich der sinfonischen Konzeption des Werkes einzufügen hat und nicht zum solistischen Selbstzweck mutiert. Die Pianistin Einav Yarden entpuppte sich über weite Strecken als kraftvolle Tastenarbeiterin am Steinway-Flügel, dessen stählern-klarer Klang sie dazu verführt, dem Gefühl leider weit weniger Aufmerksamkeit zu schenken als erforderlich. Von diesem dialektischen Partnerbezug schien sie für sich noch zu wenig in Erfahrung gebracht zu haben, sodass eine gegenseitige innere Verbindung und gefühlsbestimmte Vertiefung zwischen ihr und dem Orchester kaum möglich war. Hart und trocken ist ihr Anschlag, der ganz auf Brillanz ausgerichtet ist, kaum Zwischenfarben kennt. Sie spielte unter ständiger Hochspannung. Emotionen entluden sich größtenteils als ausdrucksarme Kraftakte. Auf dem Weg zum „Klavierolymp“ ging es über Geröllhalden, intonationsgetrübte Lichtungen und unpräzise geformte Hangmatten. Mit ihrer nüchternen Deutung überrumpelte sie dennoch das Publikum. Der Beifall prasselt und verlangt nach einer gewährten Zugabe. Peter Buske
Peter Buske
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