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Kultur: „Steter Tropfen höhlt den Stein“

Bundesminister Manfred Stolpe las aus einem Buch des Tansaniers Abdulrazak

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Bundesminister Manfred Stolpe las aus einem Buch des Tansaniers Abdulrazak Es ist gut, wenn sich die literarisch gebildete Polit-Prominenz dem benefizischen Lesen zuwendet. So tat es Steffen Reiche einst mit Dostojewski, Manfred Stolpe jetzt nicht minder. Wenn es nur einem „guten Zweck“ dient, ist ja nichts dagegen zu sagen. Aber was ist das? „Lesen und Lesen lassen – Bildung für alle“ haben sich die „1. Brandenburger entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationstage“ (BREBIT) auf ihre Fahnen geschrieben, eine Versammlung unterschiedlicher Vereine, Schulen und Einrichtungen, die in einer landesweiten Aktion für das Grundrecht „Bildung für alle“ warben. Das gilt für Deutschland genauso wie für die „Länder des Südens“. Der Hintergrund ist ein doppelter. Zum einen bezieht er sich auf die von der UNO proklamierten „Menschenrechte“, andererseits sind die zahlreichen Aktionen, Lesungen und Bildungsveranstaltungen ein adäquater Reflex auf die Globalisierung, den freien Kreislauf des Kapitals. Im Rahmen der BREBIT las der Bundesminister für Verkehr und Ostpolitik, Manfred Stolpe, am Donnerstag in der Stadt- und Landesbibliothek zugunsten des „Freundeskreises Tansania“, besser vielleicht unter dem klingenden Namen „Twende Pamoja“ bekannt. Dieser Verein bemüht sich seit Jahren hier und vor Ort, dass „Bildungsmittel“ nach Tansania kommen und neu geschaffene Bibliotheken die Leselust der Ostafrikaner anfachen mögen, besonders auf der Insel Sansibar, einst deutsche Kolonie. Man wirbt mit „Brandenburger Partnerkaffee“ zu fairen Preisen, vermittelt unbekannte Autoren durch prominente Namen wie eben dem des glücklosen Maut-Ministers. Manfred Stolpe las aus dem Buch „Ferne Gestade“ des Tansaniers Abdulrazak vor etwa 20 Hörern. Tenor: „Über die Fremdheit wächst die Hoffnung auf Zukunft“. Der Erlös kommt Schulbibliotheken in Sansibar zugute. Das Bläserquartett „Potsdamer Pfeifen“ begleitete den zweistündigen Abend bis in die unkritische, gleichförmige Diskussion hinein mit Holzblasinstrumenten und zwei wohlklingenden Saxophonen, von denen der Vorleser beim Finale „mehr“ zu hören wünschte. Gewährt. Abdulrazak erzählt von einem alternden Mann, der aus nicht genannten Gründen seine afrikanischen Koffer packt, um im Britischen Reich Asyl zu beantragen. Wie der Moslem die Welt an den fernen Gestaden des Nordens wahrnimmt, las der vielgereiste Minister mit sonorer Stimme recht leise. An den Plan seines Parteikollegen, Asyllager in Nordafrika aufzurichten, hat er in diesem Moment vielleicht nicht gedacht. Dafür habe ihn die „überraschende Wende“ am Schluss des Romans verblüfft. Allen ist das jetzt möglich, die Veranstalter machten das Buch der armen Bibliothek zum Geschenk. Doch wo Stolpe ist, da ist auch die Politik. Während „Twende Pamoja“ beim Praktizieren einer Partnerschaft auf „gleicher Augenhöhe“ „gute und auch schmerzliche Erfahrungen“ machte, sieht man weiter: Im europäischem Geist ausgestattete Schulbücher können kontinentale Gedanken infiltrieren, hier ausgebildete Studenten auf der globalisierten Einbahnstraße nächstens Aufträge nach Deutschland vermitteln. Und nahm den Begriff Entwicklungshilfe als „Tropfen auf den heißen Stein“ zugunsten von „Steter Tropfen höhlt den Stein“ mit Bedauern zurück. Fragt sich nur, wer zu welchem Zweck hier der Stein ist. .Gerold Paul

Gerold Paul

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