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Kultur: Stillstehen fällt hier schwer

Hundreds betörten im Waschhaus

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Bumm. Bumm. Ein tiefer, in regelmäßigen Abständen wiederkehrender Bass vibriert von den Fußsohlen bis zum Brustkorb und wieder zurück. Bumm. Bumm. Grelle Lichteffekte dazu. Poppige Klaviermelodien dringen hinter einer geheimnisvollen Stimme hervor. Wie von einer geheimnisvollen Krankheit ergriffen, ließen sich die Potsdamer Konzertgänger am Donnerstagabend von den elektronischen Tönen tragen. Viele junge Mädchen und Jungen wippen mit dem Beat und lassen ihre Arme durch den Saal des Potsdamer Waschhauses schweifen. Stillstehen fällt hier schwer.

„Happy Virus“, so die musikalische Diagnose von Eva und Philipp Milner von der Band Hundreds. „Happy Virus“, ungefährlich, aber höchstansteckend. Denn so heißt auch der Titel eines Songs auf ihrem in diesem Jahr erschienenen selbstbetitelten Debütalbum. Auf dem letzten Gig ihrer Tour im Waschhaus zeigte das Geschwisterpaar aus Hamburg ihre musikalische Feinfühligkeit, vor allem auch für ruhige und melancholische Lieder. Diese haben sie übrigens zuerst bei Kaffee und Kuchen auf Familienfesten vorgeführt.

Philipp hämmert Akkorde und nostalgische Melodien in das Klavier und bedient nebenbei noch Synthesizer und Laptop. Eva steht barfüßig im Mittelpunkt der Bühne und singt gefühlvoll ihre eigenen, englischen Texte. Wie eine Elfe bewegt sie ihren Körper mit dem Bass, lässt Autoharp und Glockenspiele klingen. Einigen im Publikum gelingt es trotzdem, sich von ihrer graziösen Erscheinung zu lösen und mit geschlossenen Augen in eine andere Welt abzutauchen. So taumelt ein langhaariger Mann mit schwarzem Wollstirnband scheinbar versunken in die Tiefen dieser elektronischen Pop-Songs. Nur ab und zu öffnet er die Augen, um sie dann wieder zu schließen und weiterzuträumen.

Bei dem Song „Grab The Sunset“ erscheint eine runde, gelb leuchtende Sonne hinter der Bühne. Und ja, es erscheint einem wirklich, als könnte man diese für einen Augenblick greifen. Schon zu Beginn des Konzerts überraschte das Duo mit Spezialeffekten. So lässt Schwarzlicht eine weiße Bolero-Jacke in der Dunkelheit strahlen, die kurz zuvor aus dem Nebel gestiegen war. Die etwas wortkarge Begrüßung und Verabschiedung kann man der Band kaum übelnehmen und ist wohl der hanseatischen Zurückhaltung anzulasten. Anderthalb Stunden „Happy Virus“, die einen regelrecht beflügelten und die Hoffnung weckten, sich von Hundreds bald wieder infizieren zu lassen. Friederike Haiser

Friederike Haiser

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