Kultur: Stimmsuche
Passionsmusik mit dem Ensemble Celeste Sirene
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Sie gelten vielen als Höhepunkt der Vokalmusik des französischen Barock: Die Lecons de Ténèbre von Francois Couperin. Drei dieser Lecons für den Karfreitag, die auf Passagen aus den biblischen Klageliedern Jeremiae beruhen, hatte Couperin für den Frauenorden der Abtei Longchamp in Paris komponiert. Ein stilles, ergreifend-aufwühlendes Werk, in das die menschliche Stimme Hauptinstrument ist, um den Zuhörer den Verlust durch die Zerstörung des Tempels zu Jerusalem körperlich erfahrbar zu machen und ihn förmlich auf die Knie zu zwingen.
Die zweite Lecon de Ténèbre stand auch auf dem Programm der „Passionsmusik zum Karfreitag", die am Donnerstag im Kammermusiksaal Havelschlösschen aufgeführt wurde. Daneben drei Arien aus Bachs Matthäuspassion, Buxtehude und Monteverdi, Marais, Kapsberger und Visee. Das Quartett Celeste Sirene um Christiane Gerhardt und Tilman Muthesius (beide Gambe), die das Havelschlösschen in Privatinitiative als kleine aber feine Adresse für Alte Musik in Potsdam etablieren, hatten für ihre Passionsmusik Sabine Erdmann (Cembalo, Truhenorgel) und den Altsänger Kaspar Kröner eingeladen. Niels Badenhop (Tenor) sang die zweite Lecon de Ténèbre, was keine gute Wahl war. Seine Stimme ist zupackend, geschaffen für das Burleske. Wenn ein Lied Komödiantisches verlangt, dann ist Badenhop grandios, wie er kürzlich bei einem anderen Konzert von Celeste Sirene bewies. Doch dem Sakralen der Lecons, das besonders feine Nuancierung fordert, konnte Badenhop an diesem Abend nicht gerecht werden. Und auch Altsänger Kaspar Kröner hatte anfängliche Schwierigkeiten. Monterverdis „Ego flos campi“ geriet oft zum stimmlichen Vabanquespiel, ließ er hier auch das nötige Volumen vermissen. Vielleicht lag es aber auch an den äußeren Umständen, die vor allem den Musikern zu schaffen machten.
Die 40 Plätze im Kammermusiksaal waren fast alle besetzt und der kleine Ofen heizte mächtig ein. Auf dieses Raumklima reagierten die empfindlichen Instrumente sofort und verstimmten sich ständig. An den Gesichtern der Musiker war abzulesen, dass sie darunter mehr litten als die Zuhörer. Zur Hälfte des Programms hatten sich die Instrumente der Wärme angepasst und jetzt schien sich auch die Anspannung bei den Musikern zu lösen. Visees Tombeau, Bachs Arie „Es ist vollbracht“, Marais’ Reveuse und zum Abschluss „Membra Jesu Nostri V“ von Buxtehude, hier stimmte das Zusammenspiel, erlebte man diese erhabenen und gleichzeitig ergreifenden Momente der Passionsmusik. Das Publikum dankte mit lang anhaltendem Applaus. Dirk Becker
Dirk Becker
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