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Von Heidi Jäger: Stimmung für zwölf Intendanten

Die Chefinspizientin am HOT, Irmtraud Schöps, verabschiedet sich in den Ruhestand

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Als erstes wird sie sich ein Abonnement für die Philharmonie zulegen. Dann geht es zu Carmen und Tosca nach Rom und schließlich Zelten mit den Enkeln. Endlich Zeit für Freizeit. Das ist wohl das Einzige, was Irmtraud Schöps in ihren 44 Theaterjahren vermisste: Zeit für eigene Spielpläne. Deshalb hält sich die Wehmut über den Abschied vom Hans Otto Theater in Grenzen, auch wenn sie als Chefinspizientin nur zu gern in ihrer „Schaltzentrale“ agiert und für die richtige Stimmung hinter der Bühne sorgt. An dem Pult mit den vielen blinkenden Knöpfen koordiniert sie Beleuchtung, Ton und Technik und ruft im rechten Augenblick die Schauspieler auf die Bühne.

„Irmchen“, wie sie liebevoll von den Kollegen genannt wird, hat das Heft in der Hand und das Herz am rechten Fleck. Sah sie Kollegen von der Kritik zu Unrecht beschimpft, tröstete sie. Fand sie selbst, dass ein Schauspieler nicht überzeugte, hielt sie mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg. „Sicher hat es auch eine Rolle gespielt, dass ich mit einem Schauspieler verheiratet bin, da hat man mehr Verständnis für manche Macken.“ Wichtig war ihr aber immer die Loyalität zu den Regisseuren. Wenn Schimpfkanonaden seitens der Darsteller auf jemanden niederprasselten, ging sie zur Verteidigung über. Und wenn ein cholerischer Regisseur sie selbst anschrie: „Warum kommt der Vorhang nicht?“, dann habe sie nur gedacht: „Er kommt schon noch, der Vorhang.“ Nur einmal ging es auch ihr zu weit: als Anfang dieser Spielzeit ein Gastregisseur Fontanes „Stechlin“ in den Sand setzte. „Eine Horrorarbeit. Dass Uwe Eric Laufenberg sie nicht zur Premiere kommen ließ, war eine seiner besten Entscheidungen.“ Überhaupt sei ihr die Arbeit unter „ihrem“ letzten Intendanten die angenehmste gewesen. Was im Ranking von zwölf Theaterleitern, die sie miterlebte, natürlich ein Kompliment ist. Vor allem die „Jenny Treibel“ im Palais Lichtenau, in der zeitgleich drei Räume bespielt wurden, empfand sie als logistische Meisterleistung. „Ich hätte nie gedacht, dass das funktioniert.“ An wichtigen Stellschrauben drehte sie natürlich mit.

Als junges Mädchen sah sich Irmtraud Schöps schon selbst im Rampenlicht. „Ich wollte Sängerin werden.“ Und so nahm sie neben ihrer Lehre zur Chemiefacharbeiterin Gesangsunterricht. Bis in den Chor am Brandenburger Theater schaffte es die Staßfurterin. Sie wirkte in „My Fair Lady“ mit und in „Madam Butterfly“. „Doch ich merkte sehr schnell, dass es für die große Karriere nicht reicht.“ Eine gesunde Selbsteinschätzung, die sie manchmal bei Künstlern vermisse, wenn sie sich an Rollen verheben.

Sie wich ins Praktische aus, ohne das Theater zu verlassen und landete nach vier Jahren Neustrelitz 1970 in Potsdam: mit Peter Kupke als ihren ersten Chef. Dass sie bis heute am Hans Otto Theater hängen geblieben ist, war der DDR-Zeit und der Familie geschuldet. „Früher wurde nicht so oft gewechselt, außerdem ist man mit drei Kindern gerne sesshaft. Trotz der vielen Abenddienste, auch ihres Mannes Hans-Jochen Röhrig, war es kein Problem, Theater und Kinder unter einen Hut zu kriegen. „Wir galten als kinderreich und hatten jede Unterstützung. Kein Vergleich zu heute.“ Die schönsten Erinnerungen verbindet sie mit den Regisseuren Rolf Winkelgrund und Günter Rüger. Inszenierungen wie „Das Ballhaus“ oder „Weißer Anzug“ lassen noch heute ihre Augen strahlen.

„Hart war der Wechsel von Gero Hammer zu Guido Huonder: vom Osten zum Westen. Die Neuen wollten alles besser machen, dachten, nur sie hätten das Theater erfunden.“ Doch das Eis taute schnell: „Huonder war ein richtiges Theatervieh, von morgens bis nachts wuselte er im Hause. Leider mochte das Publikum seine 68er Art nicht sonderlich.“ Der Einzug des Westens sei dann durchaus eine Bereicherung gewesen. „Wir schmorten nicht mehr nur im eigenen Saft, es kam Bewegung ins Ensemble“, auf die sich Irmtraud Schöps gerne einließ.

Oft sei es natürlich traurig, wenn Schauspieler gehen, an die man sich gewöhnt hat. „Aber alles Schöne geht einmal zu Ende.“ So auch die Matinee-Reihe mit den Lesungen, die Hans-Jochen Röhrig so erfolgreich über Jahre organisiert hatte. Um so mehr freute sich die Inspizientin, dass bei der letzten Lesung 120 Besucher kamen. „Ein richtig schöner Abschluss der Reihe, die vor allem den älteren Besuchern fehlen wird.“

Irmtraud Schöps leidet mit, wenn Vorstellungen nur halb gefüllt sind. Vor jeder Aufführung fragt sie an der Kasse, wie der Verkauf sei. „Für mich ist es ein Phänomen, dass Stücke, die wirklich gut sind, oft beim Publikum nicht laufen, wie jetzt ,Eine deutsche Revolution’. Es sticht ins Herz, wenn nur 70 Zuschauer kommen. Gerade auch jetzt, wo fast jeden Tag eine letzte Vorstellung läuft und die Schauspieler ihr Bestes geben.“

Sie selbst nimmt morgen mit „Der ideale Gatte“ vom Ensemble Abschied und bringt danach noch für die „Aladin“-Premiere des Ballettstudios Erxleben Licht und Ton in Balance.

Dann heißt es für die 63-Jährige, den Ruhestand zu genießen. „Ich kann mir vorstellen, irgendwann wieder gastweise am Theater mitzumischen“, den Beleuchtern und Technikern, mit denen sie so gerne zusammenarbeitete, eine klare Ansage zu machen. „Ohne deren engagiertes Mittun hätte ich mich vergeblich abgestrampelt.“

Auch wenn sie jetzt erst einmal der Musik ihre Aufwartung macht, das Theater wird sie immer im Auge behalten.

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