Kultur: Stöpsel raus
Fred Engel war 1989 Grenzsoldat auf der Glienicker Brücke
Stand:
Herr Engel, Sie waren zur Zeit des Mauerfalls Grenzschützer der DDR an der Glienicker Brücke. Wie haben Sie die Nacht vom 9. zum 10. November 1989 erlebt?
Ich wurde in der Nacht an der Glienicker Brücke eingesetzt, und da passierte am 9. eigentlich gar nichts, außer dass die Leute da standen und nicht durchgelassen wurden. Und irgendwann am 10. November meinte dann der Kommandierende: „So, wir ziehen hier jetzt den Stöpsel raus!“ Und dann haben wir die Tore geöffnet und als die Menschen da langströmten, war mir klar: Das ist das Ende der DDR!
Vorher ist Ihnen nichts aufgefallen?
Nein, vorher habe ich das so nicht wahrgenommen, oder verstanden, dass die Situation so schlimm ist. Dass die DDR ökonomisch so runtergewirtschaftet war, das konnte ich mir da nicht vorstellen. Ich war bei der Armee, da war die Versorgung gesichert, wir mussten uns um nichts kümmern. Ich habe zwar Westfernsehen gesehen, aber das erschien einem alles so fern und unwirklich. Das war wie unter einer Käseglocke.
Wie war denn der Alltag unter dieser „Käseglocke“?
Wenn man Frühschicht hatte, wurde man um 2 Uhr geweckt, um 4 Uhr ging es dann los, die Grenze zu schützen. Um 14 Uhr kam man zurück, hat Waffen et cetera geputzt und ab 16 Uhr hatte man frei oder Ausbildung.
Gab es während Ihrer Zeit als Grenzschützer Fluchten oder Fluchtversuche?
Ja, beispielsweise ist einer mit einer Badekappe geflohen, auf der eine Entennachbildung drauf war. Wenn der dann geschwommen ist, hat man gedacht, es würde eine Ente da langschwimmen. Oder zwei haben sich mit Schmierfett eingeschmiert, ihre Klamotten versteckt und sind dreieinhalb Kilometer weit geschwommen. Als sie angekommen waren, schrieben sie Freunden eine Karte: „Hat geklappt. Kommt nach!“ Zwei Wochen später haben zwei weitere Leute es dann genauso geschafft.
Das Interview führten Konstantin Bäumer-Bruhn und Ruben Schalinski
Fred Engel (64) war von 1970 bis 1992 Grenzschützer und ab 1985 stellvertretender Kompaniechef als Major der Bootskompanie an der Grenzübergangsstelle Nedlitz.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: