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Kultur: Straßenverkehr und Erstes Gebot

Gespräch mit Generalsuperintendent Schulz beim Verkehrsclub

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Gespräch mit Generalsuperintendent Schulz beim Verkehrsclub KIRCHE IN POTSDAM Am Straßenverkehr werde deutlich, wie hoch entwickelt unsere Zivilisation und wie wenig ausgebildet unser ethisches Bewußtsein sei. Der Straßenverkehr sei ein Anwendungsbeispiel christlicher Ethik. So der Potsdamer Generalsuperintendent Hans-Ulrich Schulz auf einer Veranstaltung des Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Brandenburg, am letzten Dienstag, dem Tag der Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt/Main. „Kirche und Straßenverkehr“ hieß das Thema, für das sich an diesem Abend leider nur ein kleiner Kreis interessierte. Das erste biblische Gebot - „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir“- stehe für ihn in unmittelbarer Beziehung zur Mobilität, sagte der Theologe. Es wende sich gegen die Vergötzung und die Verteufelung der Sachen, wie wir sie täglich und vor allem im Umgang mit dem Auto, der Geschwindigkeit und den PS-Stärken erleben. „Wenn Gott die oberste Autorität beansprucht, haben die Dinge einen Gebrauchswert, und es reicht, wenn sie einen Gebrauchswert haben. Sie werden entmythologisiert. Mobilität und Geschwindigkeit sind keine Heilsgüter“, sagte Schulz. „Letzten Endes ist das 1. Gebot auch ein Gebot, das uns anweist, von der Freiheit Gebrauch zu machen und uns nicht in Abhängigkeiten zu begeben.“ Im Blick auf den Geschwindigkeitsrausch warnte er vor dem Mißverständnis, unbegrenzt zu fahren sei ein Ausdruck besonderer Freiheit. Das sei ein gefährlicher Gedanke. Von Freiheit dürfe nur reden, wer auch um die Grenzen wisse und sie anerkenne. Freiheit und verantwortliches Handeln seien keine Gegensätze. Schulz, der sich selbst als begeisterter Autofahrer bezeichnete („Ich leide unter dem Straßenverkehr, aber ich verursache selbst Leiden“), plädierte aber auch für Alternativen zum Geschwindigkeitsrausch, für die Entdeckung der Gelassenheit, sich mit dem Fahrrad oder dem Paddelboot fortzubewegen oder zu wandern. Als Theologe wandte er sich gegen den Begriff „Verkehrsopfer“. In religiösem Verständnis würden „Opfer“ den Gottheiten dargebracht, um sie gnädig zu stimmen. Man könne von den Verkehrstoten schwerlich in diesem Sinne von "Opfern" sprechen. In der anschließenden Gesprächsrunde wurde betont, dass die Kirche in der Öffentlichkeit durch ihre Unfallseelsorger anerkannt sei, die sich um die von Unfällen Betroffenen kümmerten. Es käme darüber hinaus aber darauf an, „dem Rad in die Speichen zu fallen“. Nur die Kirche verfüge als Institution über die nötige Unabhängigkeit und sei frei vom Verdacht des Lobbyismus, um mit konkreten Vorstellungen zur Verkehrssicherheit, zum Straßenausbau und zur Entwicklung neuer Fahrzeuge an die dafür Verantwortlichen herantreten zu können. Diese Möglichkeit sollte sie stärker als bisher wahrnehmen.Lutz Borgmann

Lutz Borgmann

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