zum Hauptinhalt

Kultur: Streitbar

Hans-Ulrich Wehlers hartes Urteil über die DDR

Stand:

Er hat es bis in die Sendung von Harald Schmidt geschafft, wo seine „Deutsche Gesellschaftsgeschichte Band 5“ mit Playmobilfiguren nachgespielt wurde. Er ist für dieses Buch heftig kritisiert und in höchsten Tönen gelobt worden. Auch am Mittwoch im Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte war wieder die Rede vom „Standardwerk“. Doch da winkte Hans-Ulrich Wehler nur ab. Lob bedeutet Zufriedenheit. Und wer zufrieden ist, streitet nicht gern. Doch gerade daran ist dem Historiker Wehler gelegen: An einem harten aber fairen Streitgespräch unter Wissenschaftlern.

Auf Einladung des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) und der Universität war Wehler nach Potsdam gekommen, um „Bundesrepublik und DDR. 1949-1990“ vorzustellen. Wohlwissend, dass seine streitbaren Interpretationen gerade hier für den entsprechenden Zündstoff sorgen würden. An insgesamt 300 Jahren deutscher Geschichte hat sich der 77-jährige Historiker in seinem knapp 5000 Seiten starken, fünf Bände umfassenden Mammutwerk abgearbeitet. Über 25 Jahre Forschungsarbeit sind darin eingeflossen. Und was Wehlers Urteil in dem aktuellen fünften Band über die DDR betrifft, ist dieses, gelinde gesagt, wenig schmeichelhaft.

Wehler bezeichnet die DDR als das, was sie war: Eine Diktatur mit totalitären Zügen. Er scheut sich auch nicht, Elemente aus der Diktatur der DDR mit der des Nationalsozialismus zu vergleichen. Am Ende kommt er zu dem Urteil, dass der Kommunistenstaat DDR nicht mehr als eine Fußnote in der Geschichte bleiben wird. Womit die Gastgeber Martin Sabrow und Thomas Lindenberger vom ZZF, wo seit Jahren intensive und facettenreiche DDR-Forschung betrieben wird, nicht einverstanden waren.

So musste sich Wehler den Vorwurf der Verkürzung in seiner Darstellung gefallen lassen, wurde bemängelt, dass er bei seiner Konzentration auf die Politik, die Menschen in der DDR vergesse und durch sein hartes Urteil zu einer erheblichen Verunsicherung bei den ehemaligen DDR-Bürgern beitrage. Doch derartige Kritik verunsichert diesen Historiker nicht. Wehler weiß um die Schwächen seiner Darstellung. „Ich habe mich in der Gesellschaftsgeschichte auf die Änderungen der prägenden Strukturen und die spezifisch langlebigen Prozesse konzentriert“, sagte Wehler. Die „farbige Welt der Individuen“ komme da leider nicht vor. Was seine Einschätzung der DDR betreffe, benenne er nur die Fakten, die sich anhand einfacher Zahlen belegen lassen. Pointiert, scharf und streitbar argumentierte Wehler und fand in Manfred Görtemaker von der Universität Potsdam einen konstruktiven Fürsprecher. So war gut zwei Stunden lang ein vielseitiges, manchmal etwas ausgebremstes, trotzdem aber immer anregendes Streitgespräch auf hohem Niveau zu erleben. Dirk Becker

Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 5: Bundesrepublik und DDR. 1949-1990, Verlag C.H. Beck, München 2008, 529 Seiten, 34,90 €.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })