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Kultur: Strotzend vor Spielfreude

Französische Bläsermusik im Nikolaisaal-Foyer

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„Einer für alle, alle für einen“, nach diesem Motto haben D’Artagnan und seine Musketierfreunde ihre gefahrvollen Abenteuer im Frankreich von König Ludwig III. immer wieder erfolgreich bestanden. Draufgänger waren sie, aber auch Charmeure. Nachzulesen in Alexandre Dumas’ Bestseller, spannend anzuschauen in Filmen und Fernsehserien, vergnüglich nachzuhören beispielsweise im Divertissement „Les trois mousquetaires“ von Pierre-Max Dubois (1930-1995). Die lose Folge von musikalischen Charakterbildern zeigt sich als ein quirliges, reich pointiertes und galantes Stück für Oboe (Jan Böttcher), Klarinette (Matthias Simm), Altsaxophon (Jan Schulte-Bunert) und Fagott (Christoph Knitt), dem es an gassenhauerischen Effekten nicht mangelt. Dabei lieben die Musiker einen klaren und durchdringenden, vor Spielfreude und Virtuosität nur so strotzenden Ton.

Diese Vergnüglichkeit ist Teil einer „Stunde der Musik“ im Foyer des Nikolaisaals, in der Mitglieder der Kammerakademie Potsdam mit „Bläsermusik aus Frankreich“ aufwarten, ausschließlich von Komponisten des 20. Jahrhunderts. Vieles davon ist geprägt vom Geist des Neoklassizismus, den Impulsen eines Strawinsky oder Messiaen, fernöstlichen Klangtraditionen. In unterschiedlichen Besetzungen blättert sich je nach Naturell der Tonsetzer ein spannendes Panorama der gegensätzlichen Art auf. Dabei überwiegt Heiteres, dem durch schmachtende, bisweilen melancholische, häufig auch grotesk klingende Zutaten reizvolle Kontraste entstehen.

Aus solchem Mix besteht das Sextett für Klavier (Li-Chun Su), Flöte (Bettina Lange), Oboe, Klarinette, Fagott und Horn (kurzfristig eingesprungen: Uwe Holjewilken, Solohornist des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin). Skurril, grell und geistreich hört es sich an, frönt der französischen Lust an struktureller und klanglicher Klarheit, an Überschaubarkeit, Charme und Esprit. Davon weiß auch die Suite für Fagott und Klavier von Alexandre Tansman (1897-1986) eine Menge zu erzählen. Sie taucht in neobarocke Welten ein, gibt mit kapriziösen, dann wieder kantabel sich aussingenden Läufen dem Solisten Christoff Knitt alle Möglichkeiten, sein stupendes Können vorzustellen. Und auch Flötistin Bettina Lange darf mit Klavierassistenz solistisch hervortreten: im „Chant de Linos“ von André Jolivet (1905-1974), einem Klagegesang nach griechisch-antikem Vorbild. Nachsinnen bestimmt seinen Verlauf, wobei lange Melodielinien immer wieder durch schneidende Einwürfe und andere Aufgeregtheiten bis hin zu Eruptionen unterbrochen werden. Ausdrucksvoll, mit exzellenter Technik gestaltet Bettina Lange das Auf und Ab zwischen wohligem Räkeln eines Fauns an einem sommerwarmen Nachmittag und ekstatischem Ausbruch.

Was uns – hoffentlich bald – im Frühling erwartet, hat Henri Tomasi (1901-1971) in seinen „Printemps“-Visionen für sechs Bläser niedergeschrieben: erwärmende Sonnenstrahlen, ein vielstimmiges Vogeltirilieren mit nachdrücklichen Kuckucksrufen. Doch das scheinbare Durcheinander erweist sich rasch als ein strukturiertes Miteinander. Strotzend vor Spielwitz erklingt finaliter „L’Heure du Berger“, die Stunde des Schäfers, was Jean Françaix (1912-1997) jedoch als frivoles Schäferstündchen ausdeutet, wobei große Gefühle mit jammerndem Tonfall herrlich ironisch gebrochen sind. Es wird mit Augenzwinkern musiziert: von allen für einen, den Spötter und Grandseigneur Jean Françaix. Eine passende Milhaud-Zugabe dankt dem anhaltenden Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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