zum Hauptinhalt

Kultur: „Stümper, Gauner und Scharlatane“

Walter Marinovic sprach in der „arche“ über Kunst und Anti-Kunst in der Gegenwart

Stand:

Walter Marinovic sprach in der „arche“ über Kunst und Anti-Kunst in der Gegenwart Kunst oder Anti-Kunst? Das war am Dienstag in der „arche“ die Frage. Kardinal Ratzingers Wahl zum Papst eine dreiviertel Stunde zuvor, bot nur Gesprächsstoff vorab. Der inzwischen emeritierte Gymnasiallehrer für Deutsch und Latein, Walter Marinovic aus Wien, machte auf seiner Vortragsreise in Potsdam Station, um das Schöne zu verteidigen und der „Diktatur des Hässlichen“ entgegenzutreten, welches sich seit dem Sieg der Alliierten 1945 überall ausbreite. Man hat sich einen humanistisch gebildeten Lehrer alten Schlages vorzustellen, Schiller-Fan und bekennender Deutscher, wohlvertraut mit der aktuellen Kulturpolitik zwischen Salzburg, Wien und Berlin. Der Autor und Kunsthistoriker sprach ohne jeden Eifer, frei und ruhig, mit bester Rhetorik, aber wenn man seine Urteile zu Kunst, Musik, Literatur und Theater ein wenig weiterdenkt, dann ist Radikaleres kaum vorstellbar: Das Alte und Schöne ist gut – die „Moderne“ jedoch hat ein hässliches Gesicht. Ihr sei der Kampf angesagt, denn die „Anti-Kunst“ führe einen „Vernichtungskampf“ gegen alles, was den Menschen emporheben kann. Wirkliche Kunst - auch heute vorhanden, aber geschasst und verschwiegen – könne gegen diesen Trend immunisieren. Sein Kronzeuge ist der Dirigent Nikolaus Harnoncourt, der die Kunst als „das größte Geschenk Gottes“ bezeichnet. Nach Marinovic vorsichtiger Definition ist sie „der Versuch des Menschen, die Sinnhaftigkeit des Seins im Sinnbild eines Kunstwerkes zu spiegeln“. Sie ermögliche es Individuen wie Völkern, zu sich selber zu finden und sich darin auszudrücken. So ähnlich sagte Schiller das auch. Während das Wort „modern“ nur etwas Temporäres ausdrückt, sucht er im klassischen Schönheitsbegriff die qualitativen Seiten eines Werkes. Für ihn sind Begriffe wie Autorität, Harmonie und Ordnung (griechisch „Kosmos“) wichtig. Genau hier setzt nach seiner Meinung die Moderne, oder „das Hässliche“, an: Sie müsse antiautoritär, antiartistisch und antietatisch sein, also gegen die Säulen des Staates gerichtet; für den philologisch Geschulten zugleich ein Beweis, wie man die Leute mit Worten „übertölpeln“ wolle. Heute werde Anti-Kunst als Kunst ausgegeben und nach dem Prinzip „Lieber ein schlechtes Buch gut verkaufen als ein gutes Buch schlecht“ bestens vermarktet. „Kritzel, Kleckse, Kreise“ auf der Leinwand, Stottern in der Literatur, Schweinigeleien auf der Bühne: „Peymann hat lange bei uns sein Unwesen getrieben, jetzt haben sie ihn in Berlin“. Die Salzburger Festspiele seien ästhetisch ruiniert, den Papst in inniger Beziehung mit Mutter Theresa abzubilden, ist geradezu marktfördernd, klagte er. An Beuys („er kann nichts“) ließ er so wenig gute Haare wie an Adorno und der „Gruppe 47“, außer die Nobelpreisträger Grass und Böll. Auch die 12-Ton-Musik warf er über Bord. Hingegen lobte er Walsers Bekenntnis zu den echten Werten, nicht allein in Bezug auf den „Tod eines Kritikers“. „Lassen wir uns das nicht länger gefallen!“, appellierte er an die „arche“-Besucher, denn „Stümper, Gauner und Scharlatane“ bestimmten heute das Bild. Gegenwartskünstler von Wert blieben unbekannt. Mit Gedichten von Birgitta Weiß und einem „Vertriebenen-Requiem“ seines komponierenden Freundes Alexander Blechinger wies er nach, dass es auch anders gehe. Allerdings lasse sich nur dessen „Geklimper“ verkaufen. Summa: Einzig das Hässliche werde heute geschätzt und sogar mit Nobelpreisen honoriert. Zu einseitig, zu harsch, zu radikal? Was könnte man sich im Schiller-Jahr Besseres wünschen als solch einen Diskussionsbeitrag? Georg Martinger

Georg Martinger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })