Kultur: „Sturm“-Verbündeter
Samstag hat Shakespeares Alterswerk als HFF-Inszenierung Premiere: Gallinowskis Regiedebüt
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Es ist ein reichhaltiges, gefundenes Fressen, das Shakespeare den Schauspielern serviert. Eines, an dem man sich laben, aber auch schnell verheben kann. „Doch wenn schon scheitern, dann an den großen Dingen“, sagte sich Robert Gallinowski und wählte zu seinem Regie-Erstling Shakespeares „Der Sturm“. Der scheppert, schnieft und peitscht nun ab Samstag über die Bühne der Reithalle A und die, die ihn entfachen, mit ihm kämpfen und wachsen, sind Studenten der Babelsberger Filmhochschule.
Dort unterrichtet der vom Deutschen Theater und von Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Robert Gallinowski schon seit einigen Jahren. Er kennt die jungen Leute, die nun unter seiner führenden Hand ihre Feuertaufe vor großem Publikum bestehen wollen. Da drängte sich ihm dieses Stück förmlich auf: „Nicht nur, weil Shakespeare immer ein Geschenk ist und Studenten an diesem Klassiker nur reifen können. Er bietet auch allen zehn Darstellern adäquate Rollen, in denen sie ihre Stärken beweisen können.“ Denn natürlich ist eine Abschlussinszenierung zugleich auch ein „Schaulaufen“ vor Theaterleitern, von denen sich die Absolventen ein Engagement erhoffen.
Shakespeares Alterswerk entführt auf eine Insel. Dorthin, wo der Zauberer und Geistesmensch Prospero mit seiner Tochter Miranda geflüchtet ist. Sie retteten sich vor dem machthungrigen Antonio, der Prospero aus seinem Amt als Herzog von Mailand stürzte. Zwölf Jahre später kommt es zu einem Wiedersehen der Brüder: Antonio gehört mit zur Schiffsbesatzung, die genau vor dieser Insel strandet. Die märchenhafte Parabel erzählt in heiteren und düsteren Szenen von Liebe und Verzweiflung, Rache und Verzeihen, die die Insel überfluten.
Als renommierter Schauspieler ist Robert Gallinowski natürlich auch Shakespeare erfahren. Dem „Sturm“ sei er indes noch nie ausgesetzt gewesen. „Als ich ihn las, schien es mir aber möglich zu sein, ihn zu inszenieren. Man kann in alle möglichen Richtungen loswandern. Es gibt naturgemäß Grenzen bei einer ersten Regie und der Arbeit mit Studenten. Aber wir gehen an diese Grenzen. Und unserem Empfinden nach, funktioniert es sehr gut.“ In der ersten Durchlaufprobe habe sich alles bestens zusammengeschoben, was zuvor im Detail geprobt wurde. Und auch der gestrige Vormittag lief verheißungsvoll. Voller Kraft und Lust warfen sich die Studenten in ihre Rollen.
Gallinowski, der derzeit in der Hauptrolle des Gibril /Mahound in den „Satanischen Versen“ als Schauspieler auf Potsdams Bühne besticht, hat sich sehr intensiv in den „Sturm“ hinein gekniet, bevor er mit den Proben begann. Gerade weil er oft als Schauspieler erleben musste, dass sich Regisseure durch die Arbeit an zu vielen Stücken verzettelten. Er las über die Aufführung von Friedo Solter 1974 am Deutschen Theater, suchte Rat in den Schriften Peter Brooks, dessen Ansatz von Theater ihn zutiefst begeistert. „Für mich ist es der größte noch lebende Theatermann. Er schminkt das Theater ab, befreit es von allem Vordergründigen und Augentäuscherei. Brook legt das Theater vertrauensvoll auf die Schultern der Schauspieler.“ Und das sei auch sein Ansatz: „Ich möchte die Studenten nicht zubauen mit Regie-Ideen, hinter denen man sie nicht mehr erkennt,“ so der eher leise, aber doch mitreißend agierende Theatermann, der seit zwei Jahren freiberuflich ist. Gerade die große Verantwortung als Regisseur, in der man auf alles Zugriff hat – auf Kostüme, Musik, die Interpretation der Szenen – sei für ihn spannend. „Ich war oft genug frustriert, wenn eine Inszenierung gegen den Baum lief, und man manchmal wusste, woran es gelegen hat, aber als Schauspieler nichts dagegen tun konnte. Aus der bedingten Unmündigkeit herauszufinden und gesamtverantwortlich zu agieren, interessiert mich sehr.“
Er möchte die Fantasie fließen lassen, sie nicht zustellen mit zu viel bühnentechnischer Zauberei, mit Video- und Toneinspielungen. „Die hochmediale Welt bestimmt unser Leben schon genug.“ Der 39-Jährige besinnt sich auf den Ursprung des Theaters: „Ein leerer Raum. Einer geht auf die Bühne. Ein anderer guckt zu. Das ist die Verabredung, die oft stark vernachlässigt wird.“ Die Magie liege im Text. Damit möchte er seine Insel erstürmen. Und durch Gesang und Musik, sei es auf Laubharke, Plastikfass oder mit abgesägten Metalltischbeinen, die, wenn man sie zusammenschlägt, wie Glocken klingen. Für Shakespeare müsse man nicht nach einem äußerem Anlass suchen, um ihn auf die Bühne zu bringen. „Er beschäftigt sich immer mit dem Menschsein und ich vermeide es, mich einzugrenzen auf konkrete politische Bezüge.“ Sicher stecke im „Sturm“ die Thematik Kolonialismus, könnten auch Gedanken zu den Gefangenenlager Guantanamo und Abu Ghuraib entstehen. „Jeder entdeckt, was er braucht. Man beschneidet aber den Text, wenn man ihn in eine Richtung treibt. Durch eine Betonung stecke ich eine Markierung ab. Und das macht die Welt zu klein.“ Die Frage, was will der Künstler uns damit sagen, werde er jedenfalls nicht beantworten. „Die, die uns die Welt erklären können, gehören nicht unbedingt zur Theaterzunft, ausgenommen George Tabori, Heiner Müller und eben Peter Brook.“ So sieht Robert Gallinowski auch seine wichtigste pädagogische Aufgabe darin, den Studenten zu zeigen, wie sie den Text in seiner offenen Struktur lesen lernen. „Er ist ihr Freund“, ihr „Sturm“-Verbündeter. So wie Robert Gallinowski, der genau darauf schaut, dass die Studenten mit ihren Fähigkeiten auf ihren Rollen liegen. „Sie sollen sich sicher fühlen und nicht verbiegen, so dass ihnen trotz des Premierendrucks der Spaß erhalten bleibt.“
Premiere am 7. Juni, 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen am 8. und 14. Juni sowie 20. und 30. September, Reithalle A.
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