Kultur: Suche nach Verbundenheit
Diskussion zur „Zwangsverordneten Freundschaft?“
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Diskussion zur „Zwangsverordneten Freundschaft?“ Es ist so: Gemeinsamkeiten ergeben irgendwann gemeinsame Erinnerungen, gemeinsame Erinnerungen, die verbinden. Verbundenheit jedoch wird manchmal vergessen. Damit könnten auch die gemeinsamen Erinnerungen dahin sein. Die Menschen, die die Beziehungen zwischen der DDR und Polen erlebten, kennen dieses Problem zur Genüge. Dennoch fanden sich gestern diesem Thema nicht viel mehr als 25 Menschen in der Landeszentrale für politische Bildung zusammen. Anlässlich des soeben erschienenen Buches „Zwangsverordnete Freundschaft? - Die Beziehungen zwischen der DDR und Polen“ (Fibre-Verlag, 19.50 Euro) debattierten die Zeitzeugen Wolfgang Templin und Andrzej Kotula, der Chefredakteur des deutsch-polnischen Magazins DIALOG, Basil Kerski, und der Historiker Burkhard Olschowsky mit dem Pubikum über die Erfahrungen zu jener Zeit, als der Realsozialismus in beiden Ländern das Sagen hatte. Es bestätigte sich die These von der vergessenen Gemeinsamkeit mit den wenigen Interessenten und der nicht einmal eine Handvoll Jugendlicher, die kamen. Auch wenn die Zeitzeugen durchaus spannende Geschichten zu erzählen wussten, auch wenn der Chefredakteur gekonnt moderierte und auch, wenn der Historiker Olschowsky einen distanzierten Überblick gewähren konnte: es ist kein Geheimnis, dass diese gemeinsame Geschichte außerhalb des Kreises von Zeitzeugen und Experten kaum Beachtung findet. Fast alle Beiträge kamen von Anwesenden, die die Vierzig weit überschritten haben. Sie haben das, was dort als Geschichte besprochen wurde, gelebt. Und so gaben sie sich keineswegs konform mit den Erzählungen der Referenten. Dass subjektive Auffassungen sowie unterschiedliche Erlebnisse die Gemüter der Anwesenden erregten, war also nur verständlich. Gerade die Erzählungen von Andrzej Kotula machten deutlich, wie eng die Bindung zwischen Polen und der DDR sein konnte. Selbst Pole, sei er im Sommer 1980 im Rahmen eines studentischen Praktikums nach Berlin gegangen, um bei einer LPG zu arbeiten und ein wenig Geld zu verdienen. Er erinnerte sich an eine sehr offene und freundliche Atmosphäre, die ihm erlaubte, schnell Freundschaften zu schließen. Im August habe ihn die Nachricht erreicht, dass die Arbeiter der Werft in seiner Heimatstadt Stettin für das Recht auf freie Gewerkschaften, höhere Löhne und Abschaffung der Zensur streikten und die Regierung der DDR die Grenzen nach Polen schließen wolle. Für ihn und seine Kameraden hieß das, nach Hause zurück zu kehren. Das Abschiedsfest sei trunken-traurig gewesen. Drei Ausnahmen in der Reihe der Senioren gab es aber doch: drei Schülerinnen mit viel Interesse für das Thema. Aber: „Es ist fast, als hätte es diese Geschichte nie gegeben“, erzählt Stefanie Grunow, „Ohne den Leistungskurs Geschichte hätte ich davon wahrscheinlich nie erfahren.“ Steffi Kahmann
Steffi Kahmann
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